Dienstag, 19. Mai 2015

Frank Schulz: Onno Viets und das Schiff der baumelnden Seelen

"Es wandelt niemand ungestraft unter Palmen", schrieb Goethe. Onno Viets muss feststellen, dass Selbiges auch für Gratis-Kreuzfahrten gilt. „Onno Viets und das Schiff der baumelnden Seelen" ist nach „Onno Viets und der Irre vom Kiez" Frank Schulz’ zweiter Roman über den gutmütigen Hamburger Privatdetektiv, der Hartz 4 bezieht und gerne in Noppensocken Tischtennis spielt.

Endfünfziger Onno begleitet den Künstler Donald Maria Jochemsen als Leibwächter. Donald ist ein „stadtbekannter Veteran der analogen Boheme" mit Spleen für extravagante Hüte. Vor allem aber ist er ein quengeliger Menschenfeind und „ungut riechender, verzagter Tattergreis". Die Schiffsreise unternimmt er, weil seine Flamme dort als Tänzerin im Showprogramm auftritt. Statt ihr näherzukommen, muss er sich über die Mit-Kreuzfahrer ärgern: „Fratzen", „Klatsch- und Stimmvieh", „Zombies", die sich am Büffet drängeln und „Matronenwülste in Radlerhose" zur Schau stellen.

Onno dagegen fühlt sich gut. Wie auf einer tagelangen Familienfeier, zu der die Sippe, das ganze Dorf und das Nachbardorf geladen sind. Das Essen auf dem Partyschiff schmeckt und der Anblick von Mallorca haut den Hanseaten glatt um: „Schon erhaben, nech?, der Anblick von der beleuchteten Kathedrale, nech?" Leider muss Onno ernüchtert feststellen, „dass alles, aber auch alles einen doppelten Boden hat". Denn dieses Buch wird statt zum Krimi zu einem extrem traurigwitzigen Beziehungsdrama um Älterwerden, geplatzte Träume und verpasste Gelegenheiten.
So ernst der Rahmen, so grotesk-komisch der Stil. Dieses Buch ist ein virtuos-skurriles Wunderkabinett der deutschen Sprache, das selbst die Tücken der Altherrenverdauung mit allen Sinnen erfahrbar macht – ob der Leser will oder nicht: „Und mochte es noch einen gewissen Hörgenuss entfalten, wenn ein Flatus jaulend die Serpentinen des Dünndarms nachbildete – ein Schnupperspaß war es nicht." Aber ein Lesespaß!

Frank Schulz: Onno Viets und das Schiff der baumelnden Seelen. 336 Seiten. 19,99 Euro.


Erschienen in Schwäbische Zeitung, 19. Mai 2015.

Mittwoch, 13. Mai 2015

Aus der Tiefe ans Licht - Schauhöhlen auf der Schwäbischen Alb

„Aus der Tiefe ans Licht“ heißt ein neuer Führer durch die Schauhöhlen auf der Schwäbischen Alb. Die Alb ist die höhlenreichste Region Deutschlands. Wer einen Gang in die Unterwelt wagt, kann interessante und faszinierende Einblicke in die Geschichte unseres Planeten gewinnen.


Der Geopark Schwäbische Alb und der Landesverband für Höhlen- und Karstforschung Baden-Württemberg haben diesen Schauhöhlenführer zusammengestellt. Er ist kein eigentliches Buch, sondern eine Sammlung von 12 Infokarten in einem Schuber. Darauf ist alles Wissenswerte zu Anfahrt, Geschichte, Entdeckung und Besonderheiten der Höhlen vermerkt, die jährlich von rund 320.000 Besuchern entdeckt werden.


Beschrieben ist beispielsweise die Charlottenhöhle bei Giengen, die auf 460 Metern begehbar ist und der mit dem Höhlen-Schauland eine interaktive Erlebnisausstellung angegliedert ist. Spannend auch die Wimsener Höhle bei Hayingen im Landkreis Reutlingen, welche die Besucher mit einer Bootstour erkunden. Oder die Tiefenhöhle Laichingen, bei der Hobby-Höhlenforscher rund 55 Meter tief in Hallen und Schächte hinabsteigen können.


Der Hohle Fels bei Schelklingen war 2008 die Fundstätte der Elfenbeinfigur „Venus vom Hohle Fels“ – der mit 42500 Jahren weltweit ältesten Darstellung eines Menschen überhaupt. Außerdem sind beschrieben: Gutenberger Höhle und Gußmannshöhle bei Lenningen, Karls- und Bärenhöhle bei Sonnenbühl, Kolbinger Höhle im Kreis Tuttlingen, Nebelhöhle bei Genkingen, Olgahöhle bei Honau, Schertelshöhle bei Westerheim und Sontheimer Höhle bei Heroldstatt. Der Schauhöhlenführer ist zum Preis von einem Euro in allen Schauhöhlen auf der Schwäbischen Alb erhältlich. Infos unter www.geopark-alb.de.


Erschienen in Ipf- und Jagst-Zeitung / Aalener Nachrichten vom 12. Mai 2015

Dienstag, 12. Mai 2015

Professor van Dusen im Spukhaus

Heute ausnahmsweise kein Buch, sondern ein Hörspiel. Hurra! Es gibt nach vielen Jahren Neues vom genialen Wissenschaftler und Amateurkriminologen Professor Dr. Dr. Dr. Augustus van Dusen, auch die "Denkmaschine" genannt.

In den Jahren 1978 bis 1999 knackte der Professor 77 Hörspielfälle im Rias, später im Deutschlandradio. Die witzigen Abenteuer führten das schrullige Genie aus New York und seinen lebenslustigen, aber etwas dümmlichen Sidekick, den Reporter Hutchinson Hatch, rund um die Welt. Die Fälle, die der Autor Michael Koser zunächst nach Vorlagen des US-amerikanischen Schriftstellers Jacques Futrelle, später komplett selbst ersann, lehnten sich häufig an Detektivklassiker mit Helden wie Sherlock Holmes, Philip Marlowe oder Hercule Poirot an.

Jetzt hat Marc Freund  - laut Pressemitteilung in enger Abstimmung mit Michael Koser - ein neues Hörspiel geschrieben, das seit April erhältlich ist: Es ist das Jahr 1901. Schauplatz ist ein Spukhaus am Rand der Klippen Neuenglands, wo noch immer ein einst hingerichteter Pirat umgehen soll. Hutchinson Hatch und seine Freundin Penny De Witt - die in den alten Fällen nur eine Nebenfigur war - verbringen eine Nacht in dem Spukhaus, aus dem sie völlig überstürzt flüchten. Wie üblich muss schon ein Professor van Dusen kommen, um klarzustellen, dass 2+2 4 ergibt - immer und überall. Um die mysteriösen Morde - im Haus werden nacheinander mehrere ertrunkene Personen gefunden - aufzuklären, braucht er schon etwas länger.

Das neue Hörspiel trifft exakt den Ton der alten Folgen - als wären die altbekannten Helden nie weg gewesen. Die Atmosphäre passt. Als stilechte Requisiten kommen ein drahtferngesteuerter Edison-Phonograph, ein Zerrspiegel und ein Winton-Automobil zum Einsatz. Die Sprecher Bernd Vollbrecht als Professor van Dusen und Nicolai Tegeler als Hutchinson Hatch machen ihre Sachen gut. Sogar die Musik stimmt.

Was die Story angeht, kann es "Professor van Dusen im Spukhaus" durchaus mit einigen (allerdings schwächeren) Folgen des Originals aufnehmen.  Die Dialoge haben - gelinde gesagt - Längen, die Auflösung ist nicht gerade umwerfend. Doch wie gesagt: Auch in Kosers 77 Folgen gab es schlechtere und bessere. Den Charme von legendären Abenteuern wie "Professor van Dusen und der Zirkusmörder", "Professor van Dusen spielt Weihnachtsmann","Van Dusens erster Fall" und "Augustus im Wunderland" erreicht das "Spukhaus" nicht.

Aber das kann ja noch kommen. Weitere Hörspiele, auch von Michael Koser selbst geschriebene, sind angekündigt.



Dienstag, 5. Mai 2015

Guillaume Musso: Central Park

Die Pariser Polizistin Alice wacht eines morgens im Central Park, New York City, auf - und kann sich an nichts erinnern. Wie kommt sie nach einer durchzechten Nacht in Paris hierher? Und warum ist sie blutverschmiert und mit Handschellen an einen unbekannten Mann gekettet - den Jazzpianisten Gabriel, der gestern noch in Dublin war?

Eine absurde Ausgangssituation für eine rasante, halsbrecherische Handlung um einen blutigen Serienkiller, undurchschaubare Freunde und medizinische Grausamkeiten, die sich an einem einzigen Tag abspielt. Dass Alice buchstäblich auf sich selbst zurückgeworfen ist, macht Einfallsreichtum nötig. Wie erstellt man eine Fingerabdruckanalyse, wenn man keinerlei Geräte dazu hat? Man kauft sich ein Detektivset für Kinder im Spielzeugladen.

Trotz Fremdsprache habe ich das Buch in einem weggelesen. Auch, wenn man etwas sehr Ähnliches schon im Kino gesehen hat: Ein extrem packender, spannender, doppelbödiger Thriller, der sich zum Ende hin ungeheuer zuspitzt und bis kurz vor Schluss einige Knalleffekte bereithält.