tag:blogger.com,1999:blog-33831473109083397032024-03-13T11:06:26.146+01:00Lobhudeleien und VerrisseBuchkritiken von Bernhard HamppBernhard Hampphttp://www.blogger.com/profile/01319586915888428443noreply@blogger.comBlogger286125tag:blogger.com,1999:blog-3383147310908339703.post-74517556759686495832024-01-10T12:18:00.000+01:002024-01-10T12:18:39.403+01:00Christian Rieck: Anleitung zur Selbstüberlistung<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEh_JDqO5kHW6UH4A7ZvqR11J9gpzXSrHwAhiQwKpTZ1uW28nRtRlGjkhJlQK76b5fVaM-uLU2CFY8il95tBpdteD0jxGh3pbHU0e8F9QRq7iy7SX4k7wUEH8P_rQvsknIs2rO-AF-MgM5IU1atIcWApcuZK3ftKySPXgAPM8usnbOdOl_YahZdOEoUJaonV/s320/IMG_3419.jpeg" imageanchor="1" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="320" data-original-width="206" height="320" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEh_JDqO5kHW6UH4A7ZvqR11J9gpzXSrHwAhiQwKpTZ1uW28nRtRlGjkhJlQK76b5fVaM-uLU2CFY8il95tBpdteD0jxGh3pbHU0e8F9QRq7iy7SX4k7wUEH8P_rQvsknIs2rO-AF-MgM5IU1atIcWApcuZK3ftKySPXgAPM8usnbOdOl_YahZdOEoUJaonV/s1600/IMG_3419.jpeg" width="206" /></a></div><i>Wie wir unsere inneren Flachpfeifen, Nervgeigen und Müßiggänger überlisten
</i><p><i>Finanzwissenschaftler Christian Rieck zeigt in seiner "Anleitung zur Selbstüberlistung" auf, wie die Spieltheorie hilft, Arbeitsleben und Alltag zu organisieren.</i></p>Warum tun wir so oft nicht das, was wir sollen – und eigentlich auch wollen? Diese Frage stellt Christian Rieck, Professor für Finanzwesen in Frankfurt, Spieltheorie-Experte und erfolgreicher Youtuber, in seinem Buch "Anleitung zur Selbstüberlistung".
<div><br /></div>Obwohl wir doch wissen, dass es besser wäre, den geschäftlichen Anruf zu erledigen, die Präsentation oder die Steuererklärung fertigzustellen, lassen wir uns ablenken, verplempern Zeit auf Social Media oder streamen Videos.
Wir sind anfällig für die Aufschieberitis, auch Prokrastination genannt: Wir schieben wichtige Dinge immer wieder auf. Manchmal verfallen wir auch in ihr Gegenteil, die Vorzieheritis: Wir stürzen uns übereilt in Aufgaben, wenn Abwarten und Vorbereiten viel sinnvoller wären. Dazu gesellt sich schließlich noch die Nichtfertigstellerits: Wir bekommen wichtige Projekte einfach nicht abgeschlossen. <div><br /></div><div>Warum tun wir nicht, was wir wollen? Weil, so meint Rieck, zwei Seelen in unserer Brust schlagen. Unsere innere "Direktorin" hat das große Ganze im Blick und denkt an die Zukunft. Unsere inneren "Agenten", die Entscheidungen im Hier und Jetzt treffen, denken dagegen ziemlich kurzfristig: Sie wollen Ärger und Anstrengung vermeiden und fahren auf sofortige Belohnungen ab. Sie deswegen "innere Schweinehunde" zu nennen wäre ungerecht, denn für ihren eigenen, kurzen Zeithorizont verhalten sich ganz rational. <div><br /></div><div>Es geht nur darum, Direktorin und Agenten unter einen Hut bringen, oder wie Rieck schreibt: „Das große Ganze entsteht, indem diese vielen kleinen Flachpfeifen, Nervgeigen, Müßigggänger und Herumposauner so orchestriert werden, dass ein Gesamtkunstwerk auf höherer Ebene entsteht." </div><div><br /></div><div> Dazu allerdings müssen die inneren Agenten ab und an überlistet werden. Und wie bewerkstelligt man das? Man gibt ihnen etwas zum Spielen. Schließlich besteht bei jedem Spiel der Reiz darin, Hindernisse zu überwinden. Aus der Computerspielentwicklung hat Rieck Faktoren zusammengetragen, die ein gutes Game ausmachen und sie auf Arbeits- und Alltagstätigkeiten übertragen. Mit Tricks bringen wir unsere inneren Agenten dazu, Spaß an sinnvollen Tätigkeiten zu haben. </div><div><br /></div><div>Am besten, wir legen gleich los und motivieren uns mit dem Wörtchen "So". Wer einmal "So" gesagt hat und dann nicht ins Wasser springt, der verliert seine Glaubwürdigkeit. Schreibt Rieck, der viele, viele ähnliche Tipps, beispielsweise zum Umgang mit Deadlines, gesammelt hat. In halbstündigen "Deadline-Sprints" etwa sollte direkt vor einem feststehenden Termin Wichtiges abgearbeitet werden. </div><div><br /></div><div>Der Autor zeigt aber auch Situationen auf, in denen das Aufschieben von Arbeit sinnvoll ist – weil sie sich von selbst erledigen. Er erläutert, dass die Dinge, die wir tun, um einer ungeliebten Aufgabe auszuweichen (Putzen ist hier der Klassiker) uns oft genauso weiterführen. Und er erbringt den Beweis, dass ein unaufgeräumter Schreibtisch für manche das einzig Wahre ist. </div><div><br /></div><div>Neben unzähligen praktischen Ratschlägen steuert Rieck philosophische - welche Glücksbegriffe existieren, was treibt unser Handeln an - und ökonomische Grundlagen wie das Prinzip vom abnehmenden Grenznutzen bei. Vieles von dieser unterhaltsamen und gut lesbaren Anleitung können wir im neuen Jahr gleich umsetzen. So!</div><div><br /></div><div><br /></div><div><i>Erschienen in Schwäbische Post, 10. Januar 2024</i></div></div>Bernhard Hampphttp://www.blogger.com/profile/01319586915888428443noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3383147310908339703.post-6467329314352102802023-12-13T17:02:00.002+01:002023-12-13T17:02:45.572+01:00William Somerset Maugham: Der Magier<p></p><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgZE6oMeTZeVRvPpfLBZbUEb1RTnkKkGnegq1EpcxyMMc4AFtWSXJEAtZ7Yf2ZvKJdYL52rzaU1i6yZRCdekhsxwDP7L5CXzmbUxDuKHptIdo8nVvTD2nG0I0R-uVh9Xy5bszF5P7Xg5Q8hpvJkbrq-IpgEGhtzJKO-zM9DIqtp_6hDgxn_1sqPaqWA9q7b/s320/6C3A3F08-283E-4335-9D85-B28437CAE886.jpeg" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="320" data-original-width="203" height="200" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgZE6oMeTZeVRvPpfLBZbUEb1RTnkKkGnegq1EpcxyMMc4AFtWSXJEAtZ7Yf2ZvKJdYL52rzaU1i6yZRCdekhsxwDP7L5CXzmbUxDuKHptIdo8nVvTD2nG0I0R-uVh9Xy5bszF5P7Xg5Q8hpvJkbrq-IpgEGhtzJKO-zM9DIqtp_6hDgxn_1sqPaqWA9q7b/w127-h200/6C3A3F08-283E-4335-9D85-B28437CAE886.jpeg" width="127" /></a></div>Von 1908. Der widerliche Landadelige Oliver Haddo schnappt dem rechtschaffenen aber reichlich hölzernen Arzt Arthur Burdon die Verlobte Margaret weg - mutmaßlich, um sie für ein obskures Ritual schwarzer Magie zu opfern. Er benötigt, so Arthurs Verdacht, das Blut einer Jungfrau, um einen Homunculus zu erschaffen.<div><br /></div><div>Die ihm treu ergebene Susie und den in Alchimie bewanderte französischen Arzt Porhoët im Schlepptau, macht sich Arthur aus Paris auf zu Haddos englischem Landsitz, um Margaret zurückzugewinnen...<p></p><div>Die Handlung und der allzu offene Schluss sind - na ja. Trotzdem ein schöner früher Parapsychologie-Schocker mit allen nötigen Zutaten, Geister- und Totenbeschwörung, Hypnose und Telekinese, brodelnde Säuren in Phiolen, hysterische Schreie und unerklärliche Vorahnungen, manch versteckte Ironie... doch, insgesmat lesenswert.</div></div>Bernhard Hampphttp://www.blogger.com/profile/01319586915888428443noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3383147310908339703.post-76629383061579438192023-11-15T23:32:00.001+01:002023-12-13T17:07:17.073+01:00Dror Mishani: Vertrauen. Ein Fall für Avi Avraham.<p></p><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhX4HyHkWvyUggPQuqw26fNzy8trwPIv-0_F3U2YpoDliHXmENlCQDmZ9vKqKdf0lzwjWH4XUztGPk8KEGXv3fYhcTxxdFku_lyM7-Up6Y2mr4Z9J-Kugzc86lQjuu-c9InDj-L5ML1jCV9lU8ZuDg05SN8w6wGK9tJhk7UD3KDoYS4E7o6hr2klNyDdVgy/s320/IMG_2884.jpeg" imageanchor="1" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="320" data-original-width="184" height="200" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhX4HyHkWvyUggPQuqw26fNzy8trwPIv-0_F3U2YpoDliHXmENlCQDmZ9vKqKdf0lzwjWH4XUztGPk8KEGXv3fYhcTxxdFku_lyM7-Up6Y2mr4Z9J-Kugzc86lQjuu-c9InDj-L5ML1jCV9lU8ZuDg05SN8w6wGK9tJhk7UD3KDoYS4E7o6hr2klNyDdVgy/w115-h200/IMG_2884.jpeg" width="115" /></a></div><br />Ein solider, gut konstruierter Krimi mit spannenden Momenten. Nicht gerade <a href="https://lobhudeleien.blogspot.com/2016/07/wolfgang-schorlau-die-schutzende-hand.html" target="_blank">haarsträubend plump,</a> wenn auch kein <a href="https://lobhudeleien.blogspot.com/2019/01/anthony-horowitz-die-morde-von-pye-hall.html" target="_blank">meisterlicher Pageturner.</a><p></p><p>Polizeioberinspektor Avraham Avraham arbeitet sich in Tel Aviv an kleinen, unbedeutenden Vorkommnissen an. Ein Tourist ist aus seinem Hotel verschwunden, ohne seine Zimmerrechnung zu bezahlen. Ein Baby ist vor einem Krankenhaus ausgesetzt worden.</p><p>Kleinigkeiten, Avraham verbeißt sich dennoch. Er interessiert sich für das scheinbar Unbedeutende, die kleinem Unstimmigkeiten, die zu großen kriminalistischen Rätseln werden, aber auch für die kleinen Leute, die den Großem ins Getriebe geraten und dafür bezahlen müssen. War der vermeintliche Tourist, der wenig später tot aus dem Fluss gezogen wird, wirklich ein Drogenhändler? Oder arbeitete er für den Mossad, wie seine Tochter meint? Avraham gibt sich bis zum Schluss nicht mit den einfachen Lösungen zufrieden. Das offene Ende leitet womöglich auf einen weiteren Teil der Krimi-Reihe über.</p><p>Das Buch bietet gerade Israel-Fans viel Lokalkolorit, beobachtet den israelischen Alltag, analysiert eine gespaltene, friedlose (derzeit leider sehr aktuell!) Gesellschaft und zählt damit unter den so beliebten landestypischen Krimis zu den besseren.</p>Bernhard Hampphttp://www.blogger.com/profile/01319586915888428443noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3383147310908339703.post-25072788668926465982023-10-29T20:07:00.004+01:002023-10-29T20:07:35.261+01:00Gianni Celati: Erzähler der Ebenen<p> </p><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiyeDRfcoR2EggL9-Tr3grdxJT5ZXUaiPGQuB6lwGEeBWqg5sG3YHqprItP4rSMycPrtUraA9-6e6rrZHRGb0z4wEgqEkvnpClj4aZ3R9LJjqGzVQdnOUfTPJoWBvO_D406iLijjMQfm2gZiZgHspX2HzDq7GIGQVnGvYjyezely1WI-2jcIW3szNjKVLNV/s320/IMG_2878.jpeg" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="320" data-original-width="221" height="200" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiyeDRfcoR2EggL9-Tr3grdxJT5ZXUaiPGQuB6lwGEeBWqg5sG3YHqprItP4rSMycPrtUraA9-6e6rrZHRGb0z4wEgqEkvnpClj4aZ3R9LJjqGzVQdnOUfTPJoWBvO_D406iLijjMQfm2gZiZgHspX2HzDq7GIGQVnGvYjyezely1WI-2jcIW3szNjKVLNV/w138-h200/IMG_2878.jpeg" width="138" /></a></div><div style="caret-color: rgb(69, 69, 69); color: #454545; font-size: 17px;"><span style="font-family: inherit;">Wieso habe ich diese wundersame Geschichtentruhe, die seit Jahrzehnten in meinem Regal schlummert, einst von der Stadtbibliothek ausrangiert und von mir gekauft wurde, zwischenzeitlich in meinem Haus halb verbrannt ist, erst jetzt geöffnet? </span></div><div style="caret-color: rgb(69, 69, 69); color: #454545; font-size: 17px;"><span style="font-family: inherit;"><br /></span></div><div style="caret-color: rgb(69, 69, 69); color: #454545; font-size: 17px;"><span style="font-family: inherit;">Besser spät als nie. Celati schrieb Anfang der Achtziger diese Geschichten auf, die ihn von Bewohnern der Po-Ebene erzählt wurden.
Gute sind dabei, mittlere und schlechte. Von Menschen, die sich ausnutzen und über den Tisch ziehen lassen, von Menschen, die auf Kosten ihrer Eltern leben und als Glücksritter in der Welt unterwegs sind, von einem einsamen Mann, der in allen Büchern seiner Bibliothek per Hand den Schluss korrigierte, um sie glücklich enden zu lassen. Es geht eigentlich immer um die Anderen. </span></div><div style="caret-color: rgb(69, 69, 69); color: #454545; font-size: 17px;"><span style="font-family: inherit;"><br /></span></div><div style="caret-color: rgb(69, 69, 69); color: #454545; font-size: 17px;"><span style="font-family: inherit;"> Diese Geschichten haben fast nie eine Pointe, keinen Spannungsbogen, keine Wendungen, keine Moral, kein Happy End. Wie Leben eben in Wirklichkeit ist oder was wie man eben vom Leben der anderen landläufig erzählt. Als Steinbruch, die Geschichten weiterzudrehen, sie als Versatzstücke eigener Erzählungen zu verwenden, ist das durchaus geeignet. Viel mehr aber auch nicht.</span></div><div style="caret-color: rgb(69, 69, 69); color: #454545; font-size: 17px;"><span style="font-family: inherit;"><br /></span></div><div style="caret-color: rgb(69, 69, 69); color: #454545; font-size: 17px;"><span style="font-family: inherit;">Wurden diese Geschichten, als sie Anfang der Achtzigerjahre aufgeschrieben wurden, als origineller empfunden als heute, da auf verschiedensten Kanälen Originelles zu finden ist? Vielleicht, vielleicht aber auch nicht. Wir sind ja heute sehr verwöhnt. Bestätigt hat sich: Wie so oft im Wagenbach-Verlag hält der Inhalt nicht mit der schönen Aufmachung mit.</span></div>Bernhard Hampphttp://www.blogger.com/profile/01319586915888428443noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3383147310908339703.post-89495520196650761742023-10-23T09:54:00.001+02:002023-10-23T13:24:10.957+02:00Sheila Heti: Reine Farbe<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhiZr9A1Gbv5uDLTCbUgTxRJYfNN4r1jpaTIuB4CTtgObX5HK9UMrxmNP75yBqzmGP1L_6YaUQwM5hgNzlZLCiTlLKVsyFot2nlb53Js5RZobRhOXoVTTnEYlfJOkLDovzTa-ezGjCAd5Zp0XP8lf4A8pAlrJpOlLBku5dtC-hdi8Lvxxdfa15ob6Xx_tMw/s640/4A48922B-B66C-4EE0-B72A-832A7E8102BA.jpeg" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="640" data-original-width="390" height="200" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhiZr9A1Gbv5uDLTCbUgTxRJYfNN4r1jpaTIuB4CTtgObX5HK9UMrxmNP75yBqzmGP1L_6YaUQwM5hgNzlZLCiTlLKVsyFot2nlb53Js5RZobRhOXoVTTnEYlfJOkLDovzTa-ezGjCAd5Zp0XP8lf4A8pAlrJpOlLBku5dtC-hdi8Lvxxdfa15ob6Xx_tMw/w122-h200/4A48922B-B66C-4EE0-B72A-832A7E8102BA.jpeg" width="122" /></a></div>Drei Sorten Mensch bevölkern die Erde. Die einen stammen von Vögeln ab und betrachten die Welt von oben teilnahmslos als ästhetisches Gesamtkunstwerk. Die zweiten, die Fische, ordnen alles dem Wohlergehen des Schwarms unter. Die dritten, die Bären, lieben nur einen Menschen, den aber unermesslich. <div><br /></div><div>Sheila Hetis surreal-poetischer Roman, dessen Stil an eine nordische Saga erinnert, erzählt die Geschichte von Mira. Sie ist ein Vogel, liebt Annie, den Fisch, aber auch ihren Vater, den Bären, mit dessen Seele sie sich nach seinem Tod in das Blatt eines Baumes zurückzieht. Die Erzählweise der Kanadierin Heti sprengt die Grenzen der Logik. </div><div><br /></div><div>Wenn Sie es lieben, Sätze wieder und wieder zu lesen, sie auf der Zunge zergehen lassen, dazwischen die eigenen Gedanken wandern lassen, dann lesen Sie dieses magisch-philosophische Sprachkunstwerk. Sonst lassen Sie die Finger davon.</div><div><br /></div><div><br /></div><div><br /></div><div>Erschienen in Schwäbische Post / Gmünder Tagespost, 20. Oktober 2023</div>Bernhard Hampphttp://www.blogger.com/profile/01319586915888428443noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3383147310908339703.post-84287325102648914152023-09-09T09:55:00.004+02:002023-09-09T09:55:55.839+02:00Roald Dahl: Gesammelte Erzählungen<p></p><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiVMy2LEAEzl4ao7fhgT8eR7zU5SJDC-NjY5hVO2e0ANEX2rrzaEUt3PWZgV9fsZvvKqMLnbFPZ_pWHaIKd2l4Q1MmaLHppjkkGSned8ZOzEHfKbpEyJKNsMQRiLqDee6g2cN2d99WjOS0udmMh9_BB-gqz46wyh7ZvesRGi4gFT4yePpSGhp9hR1O78-7d/s4032/IMG_6743.JPG" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="4032" data-original-width="3024" height="200" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiVMy2LEAEzl4ao7fhgT8eR7zU5SJDC-NjY5hVO2e0ANEX2rrzaEUt3PWZgV9fsZvvKqMLnbFPZ_pWHaIKd2l4Q1MmaLHppjkkGSned8ZOzEHfKbpEyJKNsMQRiLqDee6g2cN2d99WjOS0udmMh9_BB-gqz46wyh7ZvesRGi4gFT4yePpSGhp9hR1O78-7d/w150-h200/IMG_6743.JPG" width="150" /></a></div><div>Keiner, der selbst Geschichten schreibt, kommt an Roald Dahl vorbei.</div><div><br /></div><div>Seine Handlungen sind ebenso zeitlos wie die Typen, die durch eine undurchdringliche Welt schlurfen: die ewigen Verlierer, denen ihre kleinen Betrügereien über den Kopf wachsen, die viel mehr lostreten, als sie wollen, deren ausgeklügelte Pläne nicht aufgehen, weil die andere eben auch mit gezinkten Karten spielen, weil die anderen eben noch gerissener oder auch noch dümmer sind - und gerade deshalb gewinnen. </div><div><br /></div><div>Dahls Geschichten aus den Vierziger- bis Sechzigerjahren - in diesem Band sind alle versammelt - zelebrieren das „Was wäre wenn“. Selbst die dümmstmögliche Option tritt ja auch in der Realität irgendwann einmal ein, das weiß jeder, der lange genug lebt. </div><div><br /></div><div>Manchmal dreht sich mit einem einzigen Satz die gesamte Handlung ins Gegenteil. Fast immer ist ein Sprichwort, wie das von der Grube, in die man selbst hinein fällt, das den Plot schon vorwegnimmt.</div><div><br /></div><div>Sie wollen das Geschäft ihres Lebens machen oder beim illegalen Pferderennen den Jackpot knacken, den Pelzmantel heimlichen Liebhabers verstecken, Fasanen mit Betäubungsmitteln wildern, unmögliche Wetten gewinnen oder eine spottbillige Unterkunft beziehen, sie sind Rattenfänger, Bienennarr, Taxidermistin, sadistische Ehefrau und unterwürfiger Ehemann (oder umgekehrt), Eifersüchtige, radikale Vegetarier, Franz Liszts Reinkarnation als Katze, Adolf Hitlers Mutter…</div><div><br /></div><div>Und einer entwickelt eine KI, die Geschichten schreibt. 1948!</div>Bernhard Hampphttp://www.blogger.com/profile/01319586915888428443noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3383147310908339703.post-67455294890739166542023-07-27T21:05:00.005+02:002023-07-27T21:05:56.515+02:00Michael Ende: Die unendliche Geschichte <p></p><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><br /></div><br /><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhS0ViqVOKe7Ra58JOkmeTRbXf7OuFNl5u7kntz8EvvaZlRgGm7vrM8dQ2zlHxJsuw05ZwL7v0pbv5ymZ2GmRK_OMbK5ozMsp20qiYbyuM2kIdXaY_-XaxW3rFsrL-EWsuwmVdThZxNYx9_nsK6jiSd6hzGGDMwEsPHEk6xlre8y5iR7ZqTrXB9nc9sda5G/s320/F07F69FB-D69B-48EF-A0BC-F70CBA8A729C.jpeg" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="320" data-original-width="240" height="200" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhS0ViqVOKe7Ra58JOkmeTRbXf7OuFNl5u7kntz8EvvaZlRgGm7vrM8dQ2zlHxJsuw05ZwL7v0pbv5ymZ2GmRK_OMbK5ozMsp20qiYbyuM2kIdXaY_-XaxW3rFsrL-EWsuwmVdThZxNYx9_nsK6jiSd6hzGGDMwEsPHEk6xlre8y5iR7ZqTrXB9nc9sda5G/w150-h200/F07F69FB-D69B-48EF-A0BC-F70CBA8A729C.jpeg" width="150" /></a></div>Kaum ein Buch ist von Verfilmungen so verhunzt und beschädigt worden wie Michael Endes Unendliche Geschichte. Natürlich werden einige damals im Hype um den Film (den von 1984, die diversen Fortsetzungen sind nicht der Rede wert) auch zum Buch von 1979 gegriffen haben. Aber ungleich höher wird die Zahl derjenigen gewesen sein, die dachten: Das Buch spare ich mir, ich kenne ja den Film. Alles auch schon wieder 40 Jahre her.<p></p><p>Ich habe den Roman jedenfalls in einem öffentlichen Bücherschrank gefunden und wieder gelesen. Und er hat mich noch mehr umgehauen als früher. Was für ein faszinierend durchkomponiertes Stück Weltliteratur! Die wohl größte Ode an die Fantasie, die jemals geschrieben wurde.</p><p>Die "Unendliche Geschichte" ist ein sprachgewaltiges, zeitloses Rätselspiel, das bewusst die Grenzen der Logik auslotet, westliche und östliche Weisheit vereint, Heldenreise und amour fou, Grimms Märchen und Washington Irving, Ilias und Parzival, Göttliche Komödie und Herr der Ringe, Hermann Hesse und Dostojewski, Jorge Luis Borges und Italo Calvino...</p><p>Während andere Werke (Harry Potters Zeitungen, in denen sich die Figuren auf Fotos bewegen, haben längst nichts Magisches mehr - obwohl, ich gebe es zu, auch Harry Potter ein großes Geschenk an die Menschheit ist) in nur wenigen Jahrzehnten Staub angesetzt haben, ist und bleibt dieses Buch hochaktuell.</p><p>Also: unbedingt (noch einmal) lesen und die Magie auf der Zunge zergehen lassen.</p>Bernhard Hampphttp://www.blogger.com/profile/01319586915888428443noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3383147310908339703.post-70994321981609649772023-07-11T22:11:00.001+02:002023-07-11T22:11:08.142+02:00Urs Widmer: Der Geliebte der Mutter<p></p><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgt4Duf4VkCx-zHZHWVkPAC7f-aR7d6Ja6ApsP_-G-uZ6V2qRUL5QmfZcsV2eveN0jpHFT8KWo_JdyBpawtIlCxCbbniJcxiE7rypuFQ1ll2h9H-t3h6zwvBjty8qWtQBTL0NEqqLJkyYVTQ9qftraah-_q4HC1467E5S9ECWKPGCg7ytUZTzllbCgFZqBn/s4032/IMG_5844.JPG" imageanchor="1" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="4032" data-original-width="3024" height="200" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgt4Duf4VkCx-zHZHWVkPAC7f-aR7d6Ja6ApsP_-G-uZ6V2qRUL5QmfZcsV2eveN0jpHFT8KWo_JdyBpawtIlCxCbbniJcxiE7rypuFQ1ll2h9H-t3h6zwvBjty8qWtQBTL0NEqqLJkyYVTQ9qftraah-_q4HC1467E5S9ECWKPGCg7ytUZTzllbCgFZqBn/w150-h200/IMG_5844.JPG" width="150" /></a></div>In dem 2000 erschienenen Roman des 2014 verstorbenen Schweizer Autors berichtet der Erzähler über genau dies: den Geliebten seiner Mutter. Einen Dirigenten, der es aus armen Verhältnissen zu großem Ruhm und Reichtum bringt. Während die Mutter, die dem Dirigenten lebenslang mehr als zugetan ist, aus einer gesicherten Existenz mehr und mehr ins Bodenlose stürzt.<p></p><p>Das Leben der Mutter wird vom Dirigenten bestimmt: Seinem "Jungen Orchester" widmet sie ihre ganze Schaffenskraft, lässt sich benutzen, darf für eine kurze Affäre herhalten, wird vom Dirigenten, dem diese Affäre eine bedeutungslose Randnotiz ist, zur Abtreibung gedrängt. Oder nicht? Was stimmt von dem, was die Mutter an den Sohn weitergibt? Ist der Dirigent der Vater des Erzählers? Wenn nicht, warum ist von seinem wirklichen Vater an keiner Stelle die Rede? Vieles bleibt geschickt im Unklaren. Widmer schildert in starker Sprache den Verfall der Mutter, die dem Dirigenten auf Gedeih und Verderb - verfallen - ist, bis zu ihrem Selbstmord. Ein lesenswertes Stück deutscher Literatur.</p>Bernhard Hampphttp://www.blogger.com/profile/01319586915888428443noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3383147310908339703.post-70775136539870644342023-07-04T16:54:00.001+02:002023-12-13T17:07:39.364+01:00Matthias Bumiller: Thorbeckes magischer Kräutergarten<p></p><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjLcmbC0Cxk9SDxbGkbDpWY8E-MdAQc72Piz5fMrG-UEq5HxgBbWkjEkSRnrJLkgZ68o7rq8ULAgxLytqlYkY7LUbjvzOKC1mXy3unJv6rCpIHrtrPiAI0dPPnR1x8wjO4F2_EtVm1j8PHM9HvozpF5zecATHlImp7TdM1vKLy9WE9fWm-7NxHRQ5WKClAO/s320/A1108790-A464-4ECB-A819-0BC7BA8ADB04.jpeg" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="320" data-original-width="240" height="200" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjLcmbC0Cxk9SDxbGkbDpWY8E-MdAQc72Piz5fMrG-UEq5HxgBbWkjEkSRnrJLkgZ68o7rq8ULAgxLytqlYkY7LUbjvzOKC1mXy3unJv6rCpIHrtrPiAI0dPPnR1x8wjO4F2_EtVm1j8PHM9HvozpF5zecATHlImp7TdM1vKLy9WE9fWm-7NxHRQ5WKClAO/w150-h200/A1108790-A464-4ECB-A819-0BC7BA8ADB04.jpeg" width="150" /></a></div>Nicht ganz so ausführlich <a href="https://lobhudeleien.blogspot.com/2022/06/gertrud-scherf-zauberpflanzen.html">wie dieses Buch zum Thema</a>, dafür wunderbar illustriert mit Abbildungen aus alten Kräuterbüchern. Nach einer allgemeinen Einleitung über Kräuter und ihre Beschreibung in Büchern stellt Bumiller je auf wenigen Seiten eine Pflanze vor, der magische Eigenschaften zugeschrieben wurden und werden, die in Sagen und Märchen, Religion und Aberglaube, Heilkunst und (Rausch-)Ritual eine wichtige Rolle spielt - vom Odermennig bis zur Mistel, von der Herbstzeitlosen bis zum ominösen Boramez. <p></p><div>Die Illustrationen stammen zumeist aus der Inkunabelzeit oder dem 16. Jahrhundert, sind also Holzschnitte. Aber auch von Kniphofs Naturselbstdrucken sind einige abgebildet.</div>Bernhard Hampphttp://www.blogger.com/profile/01319586915888428443noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3383147310908339703.post-61897193429800393432023-07-03T09:52:00.002+02:002023-12-13T17:07:54.557+01:00Christine Becker: Helleborus 1485-1905<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhVEwMGWTPMPmOXatygjBsb8qDECLHQD0Y60zmGMtti9H82vvPdkpSoYcOho26VcgRpEVu0mrI62SvziONI1l8TT5aEFYgFwH7i47W1z7FWB5jEgk5f1RpIIuJvPnKMduACp6MMey6YWLDgqOl_7mAVPTHiQutOObUAZCQao8I3JBuIVqrBP6StSrzuliAi/s640/74973230-7990-48D4-8963-F5770483C62A.jpeg" imageanchor="1" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="480" data-original-width="640" height="150" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhVEwMGWTPMPmOXatygjBsb8qDECLHQD0Y60zmGMtti9H82vvPdkpSoYcOho26VcgRpEVu0mrI62SvziONI1l8TT5aEFYgFwH7i47W1z7FWB5jEgk5f1RpIIuJvPnKMduACp6MMey6YWLDgqOl_7mAVPTHiQutOObUAZCQao8I3JBuIVqrBP6StSrzuliAi/w200-h150/74973230-7990-48D4-8963-F5770483C62A.jpeg" width="200" /></a></div>Untertitel: „Botanische Darstellungen, wissenschaftliche Illustrationen
& Biographien.“ Dieses großformatige, unendlich liebevoll und detailreich gestaltete Werk versammelt mehr <span style="color: #0f1111;">als 150 Darstellungen der Pflanze Helleborus (bekannt als Christrose) aus fünf Jahrhunderten - begonnen mit der Erfindung des Buchdrucks - und bietet darüber hinaus einen reichhaltigen Textteil.</span><div><p style="margin-bottom: 0cm; orphans: 2; widows: 2;">Was Autorin und Herausgeberin Christine Becker hier quasi im Alleingang und mit riesigem Aufwand zustande gebracht hat, macht sich unfassbar schön nicht nur in der Gestaltung aus. Im Text werden die Biographien von Herausgebern, Autorinnen und Verleger historischer Pflanzenbücher, aber auch Pflanzenmalern, Illustratorinnen, Kupferstechern usw. abgehandelt.</p><p style="margin-bottom: 0cm;">Dieser Alleingang sorgt aber auch für die kleinen Kritikpunkte, vielleicht wären mehr Lektoratsschritte nötig gewesen. In den Texten sind leider nicht alle Informationen
zuverlässig. Manches doppelt sich, manches ist anscheinend kritiklos aus uralten Quellen übernommen. </p>
<p style="margin-bottom: 0cm;">Beispiele: Ein ominöses „Deutsches Museum Berlin“ wird gleich mehrmals erwähnt, ein Verleger wird als „vorbildlicher Christ“ tituliert (sinngemäß, ich will die genaue Formulierung nicht mehr suchen), statt Arts and Crafts, ist von „Art and Crafts“ die Rede. Dennoch ist dieses Buch ein echter Schatz und ein großer Gewinn für alle bibliophilen Pflanzenfreunde.</p><p style="margin-bottom: 0cm;">Preis bei Amazon neu: 129 Euro.</p></div>Bernhard Hampphttp://www.blogger.com/profile/01319586915888428443noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3383147310908339703.post-71096117683408267132023-05-31T21:21:00.005+02:002023-12-13T17:08:05.280+01:00Tana French: Grabes Grün<p></p><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEji5oxU6JzmxNZcETYINseBtMF9OSOi6e51tw8OpjW5LRhRwgc5ujF5fFvtkYHrblec24PPAW8GzUHQrhVJEzB_ywrfFxvq_HNcQ7uS7sxu3ypxJSOQ4UWLAKnwVyhBhXSmJAXVNbCRc7rTVmNnOCMzMBVNRYlG9Z-6qnCkF27VxHm1E62Ldoli-ftf3Q/s320/8FC3FE62-80E5-467C-AF1F-404336F0F962.jpeg" imageanchor="1" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="320" data-original-width="240" height="200" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEji5oxU6JzmxNZcETYINseBtMF9OSOi6e51tw8OpjW5LRhRwgc5ujF5fFvtkYHrblec24PPAW8GzUHQrhVJEzB_ywrfFxvq_HNcQ7uS7sxu3ypxJSOQ4UWLAKnwVyhBhXSmJAXVNbCRc7rTVmNnOCMzMBVNRYlG9Z-6qnCkF27VxHm1E62Ldoli-ftf3Q/w150-h200/8FC3FE62-80E5-467C-AF1F-404336F0F962.jpeg" width="150" /></a></div>Auf dem Klappentext dieses Buches loben namhafte Journalistx es als „einen der spannendsten, subtilsten und sprachlich ausgefeiltesten Kriminalromane des Jahres“ (2007), „packend“, „Kriminal-Literatur“, das „Beste, was in diesem Jahr auf den Krimi-Markt gekommen ist“. Hm. Die fast 700 Seiten haben mich nicht überzeugt. Zugegeben, er ist nicht schlecht geschrieben, aber er lohnt sich nicht, zu langatmig, wenig Spannung, zu vorhersehbar. Einfach ein typisch durchkonstruierter Regionalkrimi.<p></p><p>Das Polizistenpaar Rob und Cassie sucht in der irischen Provinz den Mördx eines kleinen Mädchens: Es wurde in einer archäologischen Ausgrabungsstätte gefunden - genau dort, wo Rob (der übrigens als Erzähler auftritt) selbst in seiner Kindheit ein furchtbares Erlebnis hatte: zwei seiner Freunde verschwanden beim Spielen spurlos, ohne, dass Rob sich anschließend an etwas erinnern konnte. </p><p>Im Laufe der Ermittlungen kommen sich die beiden Polizisten naher und entfernen sich wieder voneinander. Wer das kleine Mädchen auf dem Gewissen hat, wird leider zu schnell klar. Der Fall aus der Kindheit bleibt ungelöst. </p><p><br /></p>Bernhard Hampphttp://www.blogger.com/profile/01319586915888428443noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3383147310908339703.post-53597444204465438202023-05-30T10:01:00.007+02:002023-05-31T20:52:42.744+02:00Robert Gernhardt: Was deine Katze wirklich denkt<p></p><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgrxoPe0e7uys18uFdS6bKVsWGzck_spZMGRQCj7YEKSEbHYsfDGXgvsJw1MHwRqP-3-60NMgo77x2YcN8FtplP5K3Q6fWwIH07HNBKWAUSbHewmLOdWSlKjUNEdYx3PBa-7gNb3Asbn-K8ekDQxWt_Ez3HE3UjQJ70ItPGOKy3NefmbgJYnllO5iFZ1w/s320/EBF01EDD-CA2A-472E-83FE-FA1C66E270FB.jpeg" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="320" data-original-width="226" height="200" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgrxoPe0e7uys18uFdS6bKVsWGzck_spZMGRQCj7YEKSEbHYsfDGXgvsJw1MHwRqP-3-60NMgo77x2YcN8FtplP5K3Q6fWwIH07HNBKWAUSbHewmLOdWSlKjUNEdYx3PBa-7gNb3Asbn-K8ekDQxWt_Ez3HE3UjQJ70ItPGOKy3NefmbgJYnllO5iFZ1w/w141-h200/EBF01EDD-CA2A-472E-83FE-FA1C66E270FB.jpeg" width="141" /></a></div>Robert Gernhardt gehört zweifellos zu den größten deutschen Schriftstellern des 20. Jahrhunderts, auch wenn er im Lauf seiner Karriere manches, naja, Überflüssige fabrizierte. Zu Letzterem gehört dieses vom Meister launig illustrierte Büchlein von 1996.<p></p><p>Nun ist es so, dass ich selbst einen Kater besitze - beziehungsweise besitzt der Kater mich... und das ist auch schon genau der Humor, der diese 13 Mini-Episoden, erzählt aus der Sicht von Gernhardts Kater Schimmi, prägt. Herrchen und Frauchen beziehungsweise "Chef und Chefin" sind nur dazu da, um Fressen hinzustellen... nach dem Fressen kommt das Fressen und ein bisschen Fressen könnte jetzt nicht schaden - stimmt ja definitiv alles, ist aber wenig originell.</p><p>Im Bezug auf kluge Sprache kann Gernhardt ohnehin niemand das Wasser reichen, aber die Genialitäten fehlen in diesen Geschichtchen. Ich glaube, die Psyche einer Katze ist dann doch tiefer und facettenreicher. Schimmi würde beipflichten.</p>Bernhard Hampphttp://www.blogger.com/profile/01319586915888428443noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3383147310908339703.post-88903877679528251922023-05-22T09:12:00.001+02:002023-05-22T09:12:21.911+02:00Laurent Gaudé: Der Tod des Königs Tsongor<p></p><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhxXawtRL629NNdqbsXurvavSwDRyPyt2RvYCpkX3Pw2yGEb8lIEEbjjowjxeHTMrUZuPiIGF6Si0UAM0GjCwwL4i8y0m1MhqvIA21eRhD52ODt2suJ5Dq4Mn1owSZDdMmMOVDyUcvyiBCxvCZUhmuVR6QQMkfOwGl_ciVu1eCPS2AzwgDKSyiKU4ULsA/s4032/IMG_4626.jpg" imageanchor="1" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="4032" data-original-width="3024" height="200" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhxXawtRL629NNdqbsXurvavSwDRyPyt2RvYCpkX3Pw2yGEb8lIEEbjjowjxeHTMrUZuPiIGF6Si0UAM0GjCwwL4i8y0m1MhqvIA21eRhD52ODt2suJ5Dq4Mn1owSZDdMmMOVDyUcvyiBCxvCZUhmuVR6QQMkfOwGl_ciVu1eCPS2AzwgDKSyiKU4ULsA/w150-h200/IMG_4626.jpg" width="150" /></a></div>Hört sich seltsam an, ist aber das beste Schlachtenepos, das ich jemals gelesen habe. Erschienen 2002, erzählt dieser Roman von Tsongor, der rücksichtslos ein riesiges (afrikanisches?) Reich erobert, größtes Ansehen genießt, Schätze anhäuft, vier Söhne und eine Tochter hat. <p></p><p>Dann jedoch ergibt sich ein unlösbarer Konflikt - zwei Männer wollen die Hand von Tsongors Tochter Samilia und sind bereit, Krieg um sie zu führen. Dieser ausweglosen Situation will der alte Tsongor entkommen, indem er sich selbst tötet. Doch sein Leichnam findet keine Ruhe und wird Zeuge, wie die blutige Saat, die er selbst mit seinen Eroberungsfeldzügen gesät hat, aufgeht und alles verschlingt, was ihm etwas bedeutet hat: Es bleiben nur noch Tod und Zerstörung und viele in schöner, episch-biblischer Sprache erzählte philosophische Gedanken über Zeit, Freiheit, Schuld und Hoffnung.</p>Bernhard Hampphttp://www.blogger.com/profile/01319586915888428443noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3383147310908339703.post-23165031881396305362023-04-26T19:54:00.001+02:002023-12-13T17:08:37.491+01:00Guillaume Musso: Und appartement à Paris<p> </p><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEi-Ukc5ZywoRAiq2VuecrRuPbQotz_WaWJmFkbb5JIEhv_CwIrM7vbUu1bH_LswSA7uYHLVIvdnLaHGHdEXJZ64xyPEGTGwm_gzutlOqHur43be4Vc7vFc2Voe8rFKhKewpXdNJXM9L3ecoPo4QPZSG96aSnu61R9jCE8_yn9fZ3yqiRlnY0_5iYl6iAQ/s2160/musso.jpg" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="2160" data-original-width="1384" height="200" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEi-Ukc5ZywoRAiq2VuecrRuPbQotz_WaWJmFkbb5JIEhv_CwIrM7vbUu1bH_LswSA7uYHLVIvdnLaHGHdEXJZ64xyPEGTGwm_gzutlOqHur43be4Vc7vFc2Voe8rFKhKewpXdNJXM9L3ecoPo4QPZSG96aSnu61R9jCE8_yn9fZ3yqiRlnY0_5iYl6iAQ/w128-h200/musso.jpg" width="128" /></a></div>La vérité, c‘était parfois l‘histoire d‘une demi-seconde, surtout quand vous allez la chercher si loin...<p></p><p><br /></p><p>...ich habe beim Lesen ja immer gehofft, dass jetzt mit einem Schlag eine vollkommen, eine komplett andere Wahrheit ans Tageslicht kommt, in einem Halbsatz nur, aber <a href="https://lobhudeleien.blogspot.com/2015/05/guillaume-musso-central-park.html">der große Knalleffekt ist</a> diesmal ausgeblieben. Macht nichts, dieser Thriller von <a href="https://lobhudeleien.blogspot.com/2017/10/guillaume-musso-la-fille-de-papier.html">Guillaume Musso</a> ist trotzdem von der ersten bis zur letzten Seite spannend, originell und durchdacht.</p><p>Witzigerweise habe ich das Buch in Paris (im modernen Antiquariat Book off in der Rue St. Martin, das leider zu seinem Nachteil umgestaltet wurde - Vorher-Nachher-Bilder auf meinem Instagram-Account bernhardhampp) gekauft, während einer Reise, bei der ich zweimal Opfer von Doppelbuchungen in Pensionen wurde: Genauso geht es den beiden Hauptfiguren in<i> Un appartement à Paris</i>: Eine ausgebrannte NewYorker Ex-Polizistin und ein missmutiger Theaterautor buchen ein und dasselbe Luxusappartement in der Rue Montparnasse.</p><p>Keiner von beiden will auf das Appartement verzichten, das einst dem gefeierten, aber früh verstorbenen Maler Sean Lorenz gehörte. Dabei tauchen beide in Lorenz' Lebensgeschichte ein, immer tiefer, erfahren von dessen entführtem Sohn, decken Ungereimtheiten auf und machen sich schließlich gemeinsam auf die Suche. </p><p>Gaspard, der Theaterautor, weigert sich, ein Handy zu benutzen - ein schöner Kniff des Autors: Er muss im echten Leben recherchieren. Madeline, die Ex-Polizistin, müsste sich direkt nach dem Eingriff in der Kinderwunschklinik eigentlich schonen... aber wie soll das gehen? Unter den zahlreichen literarischen Anspielungen sind besonders diejenigen auf Goethes Gedicht vom Erlkönig sehr gelungen.</p>Bernhard Hampphttp://www.blogger.com/profile/01319586915888428443noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3383147310908339703.post-90910457220131721462023-04-13T16:42:00.000+02:002023-12-13T17:09:11.947+01:00Hermann Joseph Roth: Schöne alte Klostergärten<p></p><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhhlIkMv3d7avsQy5_E41F5PSM1aDQCflGk615hobMEdHrWaK0EuXg3wm3cjBhWPEpp3nT3kLGNqcovbLJNJ2R3bGIvCbGMYvZUybZw_Zid50UsylbCh9-u358-pgKQs3RRQYPmPXysHScTRc04NYlrrktrndPEDAcB0Y4U1abVYvj39VdSMoXnH2YcUQ/s926/IMG_3926.jpg" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="926" data-original-width="924" height="200" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhhlIkMv3d7avsQy5_E41F5PSM1aDQCflGk615hobMEdHrWaK0EuXg3wm3cjBhWPEpp3nT3kLGNqcovbLJNJ2R3bGIvCbGMYvZUybZw_Zid50UsylbCh9-u358-pgKQs3RRQYPmPXysHScTRc04NYlrrktrndPEDAcB0Y4U1abVYvj39VdSMoXnH2YcUQ/w199-h200/IMG_3926.jpg" width="199" /></a></div>Erschienen 1996. <span style="font-family: inherit;">Herzstück des Buches ist ein wirklich lesenswerter Essay des Natur- und Kulturwissenschaftlers Hermann Josef Roth, selbst Zisterzienser. Er stellt a</span><span style="font-family: inherit;">llgemeine Betrachtungen über das
Verhältnis von Pflanze und Mensch seinen Ausführungen über die Entwicklung der Klostergärten vom Mittelalter bis zur Barockzeit voran. Alles, was an Zeugnissen von der Gartenkultur der Mönche und Nonnen erhalten ist - der Klosterplan von St. Gallen, der Plan des Kölner Dominikaners und Universalgelehrten Albertus Magnus, der selbst mit Pflanzen experimentierte, das Kräutergedicht des Reichenauer Abtes </span><span style="font-family: inherit;">Wahlafrid Strabo oder das Kräuterbuch des früheren Kartäusers Otto Brunfels - stellt der Autor vor.</span><p style="margin-bottom: 0cm;"><span style="font-family: inherit;">Gärten, das hält er fest, besitzen immer auch einen theologischen Sinn. Sie sind Raum für Betrachtung und Meditation. Den Pflanzen kommt stets religiös-symbolische Bedeutung zu - neben ihrer Nützlichkeit für die Liturgie sowie natürlich Ernährung und Heilkunde. </span>Eine schöne Auflistung (sehenswerter) Klostergärten der in Deutschland, Österreich und der Schweiz rundet das Buch ab.</p><p style="margin-bottom: 0cm;">Dazu hat der Fotograf Werner Richner stimmungsvoll Klosteranlagen, Beete und bewachsene Kreuzgänge in ganz Europa eingefangen. <span style="font-family: inherit;">Wirklich schade, dass die Bilder offenbar weitgehend unabhängig vom Text ausgewählt wurden und in keiner wirklichen Beziehung zu diesem stehen. Wäre es doch an einigen Stellen sehr sinnvoll gewesen, das Beschriebene bildlich vor Augen führen. </span></p>Bernhard Hampphttp://www.blogger.com/profile/01319586915888428443noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3383147310908339703.post-54106919220394508162023-03-14T19:57:00.000+01:002023-03-14T19:58:06.421+01:00Wolfgang Büscher: Heimkehr<p></p><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiZbvgJqhJYh62EyDJxQzJC8X023XcSSHKH6YFmpqIhtB4kzvu2qIdB9UHIhseNM-gwyOcHAfSOBXDaarb5aEkrWxBcVOC7ZIuRSLP7EMl6_eHL4X-MU7p4FUHSvf9BLEX1n1L8NGRF-38BUSfHV5at0zJ7dBSnLS9RyTMFSXpP2aVYbezkxnIir5-lXw/s320/A1DB57B2-8B93-46D8-AFCD-CAE7B61B3E94.jpeg" imageanchor="1" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="320" data-original-width="201" height="200" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiZbvgJqhJYh62EyDJxQzJC8X023XcSSHKH6YFmpqIhtB4kzvu2qIdB9UHIhseNM-gwyOcHAfSOBXDaarb5aEkrWxBcVOC7ZIuRSLP7EMl6_eHL4X-MU7p4FUHSvf9BLEX1n1L8NGRF-38BUSfHV5at0zJ7dBSnLS9RyTMFSXpP2aVYbezkxnIir5-lXw/w126-h200/A1DB57B2-8B93-46D8-AFCD-CAE7B61B3E94.jpeg" width="126" /></a></div>Leider, ich muss es so deutlich sagen, eine große Enttäuschung. Reiseschriftsteller Büscher hat einen Sommer in der Waldhütte eines Wald besitzenden "Fürsten" in seiner nordhessischen Heimat verbracht.<p></p><p>Das Leben im und mit dem Wald ist sprachlich faszinierend eingefangen, Bilder, die Welten öffnen, Klarheit und Eleganz, die an Thomas Mann denken lassen. Hier poetischer Fichtendämmer und Waldewigkeit, dort sehr nüchterne Forstwirtschaft, Jagd, Borkenkäfer. </p><p>Doch der Wald nimmt nur einen sehr kleinen Teil ein. Büschers Betrachtungen drehen sich um seine eigene Kindheit, den Menschen an sich, vor allem aber über den „Adel“. Der Autor hält mit seinen - in diesem Fall stockkonservativen - politischen Ansichten nicht hinter dem Berg. <a href="http://lobhudeleien.blogspot.com/2016/04/wolfgang-buscher-ein-fruhling-in.html">Wie offenbar immer</a>. </p><p>Aber hier verengt sich alles auf ein Thema: seine fast schon devote Verehrung für den "Adel" ("Fürsten" und "Erbprinzen" gibt es in Deutschland seit mehr als 100 Jahren nicht mehr). Ein Buch über diese Familie, in der NS-Zeit gar nicht so verstrickt war, wie allgemein angenommen wird, die aber hervorragende Jäger hervorgebracht hat und ihren Untertanen mildtätig zugetan ist… wollte ich eigentlich nicht lesen. Schade.</p>Bernhard Hampphttp://www.blogger.com/profile/01319586915888428443noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3383147310908339703.post-57949658655150547362023-03-02T07:15:00.000+01:002023-03-02T07:15:13.481+01:00Stephen King: Fairy tale<p></p><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjyCKfLiphOa8sMkHPZ_3CvKHMpWuwew6l9KdlNLMNgT1PPrJmSEPDxVyU7oADrPnOTKBi4TUMR5qufu3kEqFxTpGfhQY13eDuudjwzuZHpl8Wir13Sume2NcwqiDiCkgM5QucRvDqtDf0hG-tHO6xgXVdbEaF1AAQ88a6YpvL71k4fTzuBvVQSfRju2g/s284/47827CFC-24FC-4A01-ACB8-457324B48DE9.jpeg" imageanchor="1" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="284" data-original-width="177" height="200" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjyCKfLiphOa8sMkHPZ_3CvKHMpWuwew6l9KdlNLMNgT1PPrJmSEPDxVyU7oADrPnOTKBi4TUMR5qufu3kEqFxTpGfhQY13eDuudjwzuZHpl8Wir13Sume2NcwqiDiCkgM5QucRvDqtDf0hG-tHO6xgXVdbEaF1AAQ88a6YpvL71k4fTzuBvVQSfRju2g/w125-h200/47827CFC-24FC-4A01-ACB8-457324B48DE9.jpeg" width="125" /></a></div>Ich muss gestehen, es war das erste Buch, das ich von Stephen King gelesen habe - aber dieser Mann hat augenscheinlich Spaß am Schreiben. Jeder, der schreibt, erlebt irgendwann Augenblicke, in denen sich alles fügt, in denen die Pointen nur zu genau zünden, wo Details dem Geschehen eine zusätzliche Ebene verleihen, die Figuren von selbst handeln. Streckenweise hat sich das hier auch auf mich als Leser übertragen. Auch wenn Fairy Tale mit fast 900 Seiten sehr, sehr dick ist. Wäre es nicht etwas kürzer gegangen? Sei’s drum. <p></p><p>King erzählt von einem 17-jährigen Jungen, der mit seinem Hund auszieht, um ein unterirdisches Märchenreich vor dem Untergang zu retten. Der Autor versammelt hier scharenweise Anleihen, Anspielungen und Zitate aus Märchen, aber auch Filmen und Serien - vom Rumpelstilzchen über den Zauberer von Oz bis zum Game of Thrones. Dem Leser begegnen immer wiederkehrende Märchenmotive - hilf einem Tier aus der Not, dann wird es sich als dankbar erweisen…</p><p>Erzählt wird hier nach allen Regeln der Kunst (oder auch nach Lehrbuch). Der Held erlebt mindestens eine Niederlage zu viel, gerät in Not, wird gefangen, muss ein Duell bestehen, flüchten, sich eine waghalsige Verfolgungsjagd liefern, verliebt sich, hat den ersten Sex, verliert Freunde und gewinnt neue… Alles ist auf eine Fortsetzung getrimmt. Und natürlich auf eine Verfilmung - die wird nicht lange auf sich warten lassen (wahrscheinlich läuft sie längst). Vieles liest sich ja auch gleich wie ein Filmdrehbuch:</p><p>„Während die Gefangenen den beiden Nachtsoldaten durch den Korridor folgten, sah ich, dass zwei Frauen und zwei Schwarze darunter waren.“ Hat da jemand gleich an die Diversity-Richtlinien gedacht?</p><p>Der Ich-Erzähler nervt anfangs dadurch, dass er ein so schrecklich braver und selbstloser Musterknabe ist. Verdämlicht dadurch, dass er ständig erwähnt, was für ein schlimmer Finger er aber doch früher war. Da hat er z.B. Briefkasten zum Explodieren gebracht. Aber, und das ist ein großer Kunstgriff: Dieser Erzähler ist in gewisser Weise unzuverlässig, was seine eigene Person betrifft. Seine leicht sadistische Ader tritt im Verlauf der Handlung unverkennbar hervor. Immerhin. So hatte ich mir das von Stephen King erwartet.</p>Bernhard Hampphttp://www.blogger.com/profile/01319586915888428443noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3383147310908339703.post-45925258643494080512023-01-31T20:03:00.002+01:002023-01-31T20:03:35.890+01:00Arthur Schnitzler: Der Ehrentag<p></p><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjV8HKh0zJyAI73siScy2wibzAIOSwUGIly3EEhBYOAEqmoo1-PHCXlChG-K8NthDox_ZOshi9FMKJZNbgQLMDfHAcBzTfTfOgAbloQ0KbXEmITACRRvyooHilICay_lG1dfytyG44Gxe92o19zVXBxQQw25xaeo9A9gm_Wc0nkzV2qnq7Q2L4E3ntRPA/s320/1CA70ADC-659D-49AA-85BD-A4E1FCBD6290.jpeg" imageanchor="1" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="240" data-original-width="320" height="150" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjV8HKh0zJyAI73siScy2wibzAIOSwUGIly3EEhBYOAEqmoo1-PHCXlChG-K8NthDox_ZOshi9FMKJZNbgQLMDfHAcBzTfTfOgAbloQ0KbXEmITACRRvyooHilICay_lG1dfytyG44Gxe92o19zVXBxQQw25xaeo9A9gm_Wc0nkzV2qnq7Q2L4E3ntRPA/w200-h150/1CA70ADC-659D-49AA-85BD-A4E1FCBD6290.jpeg" width="200" /></a></div>Eine meiner Lieblingserzählungen wiedergelesen und wieder fasziniert davon. Das größte und faszinierendste Geheimnis ist der Mensch - und Arthur Schnitzler ist der unbestrittene Meister des Menschlichen. <p></p><p>Ein Thema, das in Literatur und Film immer wieder auftaucht, ist in dieser Erzählung von 1897 in seiner ganzen Abgründigkeit eingefangen. Eine Gruppe junger Männer hat sich einen boshaften Spaß ausgedacht: Sie engagieren eine große Zahl bezahlter Beifallklatscher, um in einer Theatervorstellung den unbedeutenden (und für seine Erfolglosigkeit stadtbekannten) alternden Nebendarsteller Friedrich Roland hochleben zu lassen. Der zynische Jux endet fatal. Jedes Wort sitzt. So muss Literatur sein.</p>Bernhard Hampphttp://www.blogger.com/profile/01319586915888428443noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3383147310908339703.post-32878283558059677782023-01-25T06:23:00.003+01:002023-01-25T06:23:50.881+01:00Harry Mulisch: Die Elemente<p></p><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgfM4i1sQqDk1T-PDNcuPRqnZrMSiz0tX_eMeqAyLZdcRQwzCkB3eJd3HyRGoSTscb9AFtd_8MrohXUKtEOahPYA0zGOQ4TWKy3cjbUrZBQ9_P5KCXQt0pjYrf5f1zDnZs1jWA4alBxmVYeCqcIENiwc2M9Iy8NQhXRUITi4ktsEw4XEXwVxVBhMFwCWg/s640/A41FD902-32FA-435D-86C7-576009787893.jpeg" imageanchor="1" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="640" data-original-width="391" height="200" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgfM4i1sQqDk1T-PDNcuPRqnZrMSiz0tX_eMeqAyLZdcRQwzCkB3eJd3HyRGoSTscb9AFtd_8MrohXUKtEOahPYA0zGOQ4TWKy3cjbUrZBQ9_P5KCXQt0pjYrf5f1zDnZs1jWA4alBxmVYeCqcIENiwc2M9Iy8NQhXRUITi4ktsEw4XEXwVxVBhMFwCWg/w123-h200/A41FD902-32FA-435D-86C7-576009787893.jpeg" width="123" /></a></div>142 Seiten nur, aber alles drin, was ein Roman braucht: geniale Einfälle, halsbrecherische Wendungen, Liebe, Verzweiflung, Spiel mit doppeltem Boden und Scheinwelten… Scheinbar unaufgeregt plätschert die Handlung auf ein furioses Finale zu, wie eine Welle, die sich an der Oberfläche erst nur unmerklich hebt, um irgendwann mit voller Wucht zu brechen.<p></p><p>Der Erzähler - und das ist großartig - duzt den Leser, welcher gleichzeitig die Hauptfigur, der Werbetexter Dick, ist. Du verbringst mit deiner hübschen, aber oberflächlichen Frau und den beiden altklugen Kindern einen ereignislosen und irgendwie bedrückenden Sommerurlaub auf Kreta. Am letzten Tag kommt ein Sturm auf, und Du entschließt Dich aus einer Laune heraus, tauchen zu gehen…</p>Bernhard Hampphttp://www.blogger.com/profile/01319586915888428443noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3383147310908339703.post-51332531279429340742023-01-12T12:40:00.000+01:002023-01-12T12:40:26.373+01:00Heinrich Steinfest: Der betrunkene Berg<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhvGifr_Yq6GcWrPZTgIFblXPkTkv5vRZmDLZJOxgrR-Qsa-Aup_yN-ZD9JagLkuHXGlaIDQBDu3JRAot5dMMf8NTFBMnU_lYo5tOAHaadvYM5N9OAwFpvnB-JFnolPWhpjjKZ5Vkl7KZhXpo5_AkN_PIxMdV-kBu-ZR6hL4n_0Chbk4HcdPuP82go24A/s320/75DE9EE3-F71C-486F-882A-36DE7213E6E8.jpeg" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="320" data-original-width="240" height="200" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhvGifr_Yq6GcWrPZTgIFblXPkTkv5vRZmDLZJOxgrR-Qsa-Aup_yN-ZD9JagLkuHXGlaIDQBDu3JRAot5dMMf8NTFBMnU_lYo5tOAHaadvYM5N9OAwFpvnB-JFnolPWhpjjKZ5Vkl7KZhXpo5_AkN_PIxMdV-kBu-ZR6hL4n_0Chbk4HcdPuP82go24A/w150-h200/75DE9EE3-F71C-486F-882A-36DE7213E6E8.jpeg" width="150" /></a></div><p>Katharina betreibt eine Buchhandlung in den Alpen auf 1765 Metern Höhe und verbringt den Winter, wenn der Laden geschlossen ist, alleine dort. Bei einer Wanderung findet sie einem zusammengekauerten Mann im Schnee, den sie mit in die einsame Buchhandlung nimmt. Seine Erinnerung ist ihm abhanden gekommen, erst langsam kehrt sie stückweise zurück. „Robert“ nennt sie ihn, weil sie findet, das passe zu ihm. Sie lesen sich gegenseitig aus einem Buch vor, das ein Priester - der Erstbesteiger des Berges - vor 100 Jahren verfasst hat.</p><p>Robert und Katharina geraten gemeinsam mit Linda, einer hinzugekommenen Lawinenforscherin, bei einer Gipfelwanderung in eine Wolke. Und urplötzlich werden sich alle drei über existenzielle Situationen klar, die sie verdrängt oder von denen sie nichts geahnt hatten.</p><p>„Die Natur dieser Wolke, in der alle drei gestanden hatten, war es somit gewesen, die darin Stehenden mit der Vergangenheit zu umfangen.“</p><p>Zweien geht auf, dass sie für den Tod von Menschen verantwortlich sind. Die andere spürt, dass sie schwanger ist. Und dann stürzen die beiden Frauen noch mitsamt der Bergbuchhandlung in einen tiefen Hohlraum, der sich hier seit Jahrmillionen unbemerkt unter dem Erdboden befindet. Viel Inhalt bis hierhin, es passiert etwas, Heinrich Steinfest schreibt nicht über nichts. Es sind tolle Ideen dabei.</p><p>Aaaber! Aber warum schreibt dieser Mann nur so schlecht? Oder bin ich der einzige, den dieser Stil gnadenlos nervt? Das eben genannte Zitat ist bei weitem nicht das schlimmste. Hier wuchern unfassbar viele Substantive (die mit Vorliebe auf -ung enden), kaum Verben, viel Unkonkretes, inflationär oft das Wörtchen „man“.</p><p>Einfach nur ein Satz herausgegriffen: "Bei frischem Espresso sprach man über das Ereignis, über die am Tag zuvor morgendlich abgegangene Lawine auf der Westflanke des Geländes." Geht es noch blutleerer und actionarmer?</p><p>Der Erzähler prahlt auf ärgerliche Art mit Wissen. "Nach einem ersten Gespräch und dem Fotografieren von Roberts monumentaler, an einem langen Morgen entstandener Alpendohle - deren Vorbild sich nach und nach seinem Abbild annähern würde, siehe Gertrude Stein -, betrat man das Innere des Buchladens." Was will <i>man</i> mir damit sagen? Gertrude Stein ist an keiner anderen Stelle Thema. </p><p>In einem Buch findet sich eine "Fettecke à la Beuys", ein Kuss fühlt sich an wie "die Mutter aller Berührungen" und "lieferte das Gefühl vollkommener Harmonie". Klischees, Peinlichkeiten, manchmal bis zum Fremdschämen.</p><p>Meine Sache ist das nicht, wird aber ganz sicher Liebhaberinnen und Liebhaber finden. Nicht jede/r hat’s mit der deutschen Sprache.</p>Bernhard Hampphttp://www.blogger.com/profile/01319586915888428443noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3383147310908339703.post-53823484400223294412022-12-15T07:28:00.000+01:002022-12-15T07:28:58.235+01:00Ulrike Herrmann: Das Ende des Kapitalismus<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhejuryhH860G5VJnDpiJHs8YRaDqbygzV2aTKo30AG77BVOi3k4DDyVcjmwPW4tDZCnhwWMJeSmKY1o1KYdN3N1xNH6sRBzM55emfEF30Cz6MJ2w-jIiQ-fKIrYzytNaoDPuA5-trfSzJbnDUBgcYlH46_fAlM5co-2qMl671A6dq6sHumIk45XFs5pw/s2484/hr2.jpg" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="2484" data-original-width="1536" height="200" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhejuryhH860G5VJnDpiJHs8YRaDqbygzV2aTKo30AG77BVOi3k4DDyVcjmwPW4tDZCnhwWMJeSmKY1o1KYdN3N1xNH6sRBzM55emfEF30Cz6MJ2w-jIiQ-fKIrYzytNaoDPuA5-trfSzJbnDUBgcYlH46_fAlM5co-2qMl671A6dq6sHumIk45XFs5pw/w124-h200/hr2.jpg" width="124" /></a></div><p>Das wohl meistdiskutierte Wirtschaftsbuch des Jahres. Auch, wenn es
der Titel nahelegt: Es ist keine keine Streitschrift, kein „Macht
Schluss mit dem Kapitalismus“. </p><p> Stattdessen analysiert Ulrike
Herrmann, Wirtschaftsredakteurin der Berliner Tageszeitung taz, wie
unser – historisch erfolgreiches – Wirtschaftsmodell angesichts von
Erderwärmung und Klimakrise an Grenzen stößt. Sie beschränkt sich dabei
auf wenige prägnante und eingängige Botschaften – und zeigt sogar einen
Ausweg auf. </p><p>Den Kapitalismus verteufeln? Nichts liegt der Autorin ferner. In einem scharfsinnigen historischen Abriss macht sie deutlich, wie erst Massenproduktion und Industrie Wohlstand für möglichst viele bescherten – und im Schlepptau politische Teilhabe und individuelle Rechte. Kapitalismus dürfe nicht als „Marktwirtschaft“ tituliert werden: Märkte und Handel habe es in der Geschichte immer gegeben. Lange, bevor im England des 18. Jahrhunderts erste Maschinen aufkamen, und sich die Art, wie wir arbeiten und wirtschaften radikal änderte. <br />Seitdem wächst die Wirtschaft. Sie wächst und wächst und kann gar nicht anders. Wenn sie nicht beständig wächst, drohen schwere Krisen. Der Haken: Es werden immer mehr natürliche Ressourcen verbraucht, Abfälle fallen an, Abgase belasten die Atmosphäre.</p>
<p><br />Plastisch zeigt Ulrike Hermann die Ausmaße dieser Ausbeutung unserer Umwelt auf. Die katastrophalen Folgen von Klimawandel und Erderwärmung deuten sich bereits an. Sie dürften aber noch viel schlimmer werden und alle Lebensbereiche betreffen. Also möglichst aus den fossilen Brennstoffen aussteigen und auf „grüne Energie“ umsatteln? Ja, aber das ist nicht so einfach. Solar- und Windenergie sind unbeständig und reichen nicht aus, Energiespeicher, Wasserstoffnutzung und selbst Kernenergie sind extrem teuer. Es wird, so die Autorin, deutlich weniger Energie zur Verfügung stehen. Und die wird teuer sein. „Grünes Wachstum“, das sich manche vom Umstieg von fossile auf erneuerbare Energien erhoffen, hält die Autorin für eine Illusion.</p><p>„Klimaschutz ist nur möglich, wenn die Wirtschaft
schrumpft“, so eine Kernthese des Buches. Und schrumpfen bedeutet
Verzicht: Flugreisen wären künftig ebenso unmöglich wie private
Autofahrten– erst recht mit tonnenschweren, energieintensiven E-Autos.
Weniger Fleischkonsum, kleinere Wohnungen, keine neuen Büros und
Logistikzentren: Schrumpfen auf allen Ebenen wäre angesagt. Dabei gingen
auch Arbeitsplätze verloren. Einige Branchen wie die Banken – sie
leben von der Vergabe von Krediten, die nur zurückgezahlt werden können,
wenn die Wirtschaft wächst – gingen weitgehend zugrunde. Arbeitsplätze
in anderen Branchen würden zwar entstehen, allerdings wären sie lange
nicht so gut bezahlt. Die deutsche Wirtschaft würde auf den Stand von
1978 zurückschrumpfen. </p><p>Als Vorbild für ein staatlich gelenktes
Schrumpfen macht die Autorin die Kriegswirtschaft Großbritanniens im und
nach dem Zweiten Weltkrieg aus. Die Betriebe blieben privat, aber der
Staat legte fest, was produziert wurde und wer welche Rationen zugeteilt
bekam. Erstaunlicherweise sei dieses Modell sogar allseits beliebt
gewesen, beteuert die Autorin: Alle bekamen dasselbe, niemand fühlte
sich benachteiligt. </p><p>Hellsichtig klingt, wenn die Autorin die
Menschen vor eine fatale Alternative stellt. „Entweder sie verzichten
freiwillig auf Wachstum – oder die Zeit des Wachstums endet später
gewaltsam, weil die Lebensgrundlagen zerstört sind.“ Wer das liest,
denkt fast unweigerlich: Dann wird wohl auf die zweite Variante
hinauslaufen. So traurig es ist.</p><p>Verzicht, Schrumpfen,
Kriegswirtschaft? In Demokratien sind sie nicht mehrheitsfähig und
Diktaturen neigen bekanntlich dazu, die Mehrheit zum Verzicht
anzuhalten, während eine kleine Clique mit Vorliebe um die Welt jettet.
Schränken sich einzelne Länder ein, werden andere umso stärker
zugreifen. Global werden sich die Reicheren ein "grünes Wachstum"
leisten und die Kosten dafür auf die Ärmeren abwälzen. Vielleicht sind
realistischere Szenarien als dieser gelenkte Verzicht möglich, ein Mix
aus verschiedenen Energieformen etwa, einzelne Einschränkungen in
besonders kritischen Bereichen. Aber vielleicht ist das zu halbherzig,
um die Krise aufzuhalten. Prognosen sind schwierig. </p><p>Selbst
Leserinnen und Lesern, die keine von Herrmanns Thesen teilen, sei dieses
Buch empfohlen. Es weitet auf überraschende Art den Blickwinkel und
regt zum Weiterdenken und Diskutieren an.</p><p><i> </i></p><p><i>Erschienen in Wirtschaft Regional, Dezember 2022 </i><br /></p>Bernhard Hampphttp://www.blogger.com/profile/01319586915888428443noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3383147310908339703.post-14362165148470414602022-12-11T19:15:00.002+01:002022-12-13T16:43:09.201+01:00Anne Glenconner: Lady Blake und das Grab im Meer<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEh4oIYpgrFSdGqwwqZ8mgyU1lFv1vS3hn-hj3H4GiT6L4OBNneuCP1cN9QN3Bf0y7cY7_0BK_bhkAswfRA6p32f4BSOVmL1TgnZUtG3RiWMWUmpyzV8u2t9nKAJeAto1JphahnDNCQjN-C25fMz6ULJmcpJOqd-wfkpZh-blDD8IS2ufiRlJBmtE3g54g/s640/7FAF802D-351E-47FA-86BB-CFA242864C56.jpeg" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="640" data-original-width="410" height="200" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEh4oIYpgrFSdGqwwqZ8mgyU1lFv1vS3hn-hj3H4GiT6L4OBNneuCP1cN9QN3Bf0y7cY7_0BK_bhkAswfRA6p32f4BSOVmL1TgnZUtG3RiWMWUmpyzV8u2t9nKAJeAto1JphahnDNCQjN-C25fMz6ULJmcpJOqd-wfkpZh-blDD8IS2ufiRlJBmtE3g54g/w128-h200/7FAF802D-351E-47FA-86BB-CFA242864C56.jpeg" width="128" /></a></div><p>Der 2020 erschienene Erstlingsroman der 88-jährigen Britin Lady Anne Glenconner, die seit auf der 1958 auf der Privatinsel Mustique in der Karibik lebt und Hofdame von Prinzessin Margaret war, handelt von Lady Veronica Blake, einer ehemaligen Hofdame Prinzessin Margarets, die auf der Privatinsel Mustique in der Karibik lebt und einen kniffligen Fall löst. </p><p>Ich weiß gar nicht, womit ich anfangen soll. Vielleicht damit: Es fehlt jede Spur von Ironie, kein Funken Humor. Alles ist so bierernst, als Leser fühle ich mich ständig von der strengen Lady Glenconner/Blake gemaßregelt. Aber warum denn? Sie ist doch, so betonen es alle Figuren unaufhörlich, unendlich gütig, gnädig, großzügig und gastfreundlich und trotz ihrer hohen Geburt frei von jedem Dünkel. Aber auch mutig, befreit sich aus der Gefangenschaft und überwältigt den Angreifer.</p><p>Der Roman strotzt nur so vor Klischees, und wer sich ein Spiel daraus macht, Stilblüten zu finden, kommt voll auf seine Kosten:
„Doch ihre Fröhlichkeit erleidet gleich wieder Schiffbruch.“
„Sein Ärger erhöht förmlich die Raumtemperatur.“
„Seine tadellosen Umgangsformen werden der Freude, ihn als Gast in unserem Haus zu haben, das Sahnehäubchen aufsetzen.“
In jedem zweiten Satz „funkeln Augen vor Freude“, Boote sind „schnittig“, Männer „stattlich“, während Frauen „geschmeidige Bewegungen“ vollziehen.
Der Butler kann es nicht gewesen sein: „Er ist uns seit Jahrzehnten treu ergeben.“ Er war es dann auch nicht.</p><p>Das Ganze ist einfach furchtbar schlecht geschrieben (und obendrein mit einigen Pannen übersetzt: Wenn jemand Respekt vor dem Meer hat und nicht zur Marine will, dann geht er zum Heer („army“), nicht zur „Armee“). Die Chance, einen Tropensturm packend zu schildern, wird uninspiriert vergeigt,</p><p>Ich hatte mir so etwas wie eine Romanversion der witzigen TV-Krimiserie <i>Death in Paradise </i>erhofft, eine Miss Marple in der Karibik. Aber zu allem Überfluss erweist sich dieser Krimi auch noch als extrem vorhersehbar und unschlüssig,
Auf die Wendung, die alles auf den Kopf stellt und es gelohnt hätte, sich durch diesen süßlichen Brei zu fressen, habe ich vergeblich gewartet.</p>Bernhard Hampphttp://www.blogger.com/profile/01319586915888428443noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3383147310908339703.post-42371903237144714112022-11-30T07:24:00.004+01:002022-12-11T15:08:24.072+01:00Irene Vallejo: El infinito en un junco <p></p><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEh54glTBRWadtfQIev-nSNqxxIKwphdrZGf7VXZ-74_x36NpUmMVoYm5cgFU7bUMj0tDAZPGa3Wf5H2xbHw5AJY56ZdKVOw-YsYkbUeng3MtUwlVn9u-k5Lp5AyGhZHWJ4CiFa6BRprktXJrXlQqUgtWaJWXBxHPy-xuG6pc1zOjZOlplU1Lrb8iO5PGw/s640/C52B9720-6BF2-491C-B99E-F27749A9CDC5.jpeg" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="640" data-original-width="480" height="200" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEh54glTBRWadtfQIev-nSNqxxIKwphdrZGf7VXZ-74_x36NpUmMVoYm5cgFU7bUMj0tDAZPGa3Wf5H2xbHw5AJY56ZdKVOw-YsYkbUeng3MtUwlVn9u-k5Lp5AyGhZHWJ4CiFa6BRprktXJrXlQqUgtWaJWXBxHPy-xuG6pc1zOjZOlplU1Lrb8iO5PGw/w150-h200/C52B9720-6BF2-491C-B99E-F27749A9CDC5.jpeg" width="150" /></a></div>Vallejo erzählt die Geschichte der antiken Bibliothek von Alexandria und weiterer Büchertempel aller Jahrhunderte. Die spanische Autorin webt elegant zahllose Anekdoten und Gedanken mit ein - über Bücher, das Lesen und Schreiben, Erzählen und Erfahren, Lehren und Lernen, Sammeln und Suchen, Buchläden und Buchgeheimnisse. Über das versunkene und lautlose Lesen, das erstmals der Heilige Ambrosius praktiziert haben soll, Schrift auf der Haut als Tattoo, darüber, wie die Form des Buches die Gedanken formt, die beim Lesen entstehen… Und sie verteidigt den - auch meiner Meinung nach absolut verdienten - Literaturnobelpreis für Bob Dylan („Un Nobel para la oralidad“). Das ist nämlich der genuine Ursprung der Dichtung: Sie wurde gesungen.<div><p>Wer wie ich Bücher über Bücher liebt, wird fasziniert sein. Nicht, dass Vallejo aufregend Neues erzählt. Sie hat vielmehr alles Erdenkliche aus der Welt der Bibliophilie zusammengetragen. Das Sachbuch plätschert sehr anregend dahin, wie wenn man einer geistreichen Person zuhört und hinterher feststellt, dass man nicht unbedingt etwas gelernt hat, aber sehr gut unterhalten wurde. </p><p>Also lesenswert, aber kein Muss. Die 500.000 verkauften Exemplare, auf die das Buchcover hinweist, sind sicherlich auch einer geschickten Vermarktungsstrategie zu verdanken. Für mich persönlich aber eine Bereicherung.</p><p><br /></p><p><br /></p></div>Bernhard Hampphttp://www.blogger.com/profile/01319586915888428443noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3383147310908339703.post-53925527809845747662022-11-15T21:52:00.004+01:002022-11-15T21:53:57.427+01:00Martin Suter: Der Teufel von Mailand<p></p><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgLbvVBtQfg5Y2h6oeGD_wiKLvVAOjTYQ5PSPT67_X72Tj2rrYXKjgpYaAs1OUAHU2g_BPoLJ86zGujQtYC3ngIDGcE_VpZ8cSeaIyexAAiepX2-USyACu6j6j0r44NGAsUUUced-j9hG93g6DRkTI2Q0dI0xFLwb_1pL50JO2YrlrAYUDM5a7GXIdRMA/s640/89CA2113-6E9C-4B5B-BC12-651FC78D3EAB.jpeg" imageanchor="1" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="640" data-original-width="450" height="200" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgLbvVBtQfg5Y2h6oeGD_wiKLvVAOjTYQ5PSPT67_X72Tj2rrYXKjgpYaAs1OUAHU2g_BPoLJ86zGujQtYC3ngIDGcE_VpZ8cSeaIyexAAiepX2-USyACu6j6j0r44NGAsUUUced-j9hG93g6DRkTI2Q0dI0xFLwb_1pL50JO2YrlrAYUDM5a7GXIdRMA/w141-h200/89CA2113-6E9C-4B5B-BC12-651FC78D3EAB.jpeg" width="141" /></a></div>Von 2006.<p></p><p>Sonia will einfach nur weg, dorthin, wo sie dem Arm ihres gewalttätigen Ex-Mannes und den Folgen eines LSD-Trips (sie sieht Geräusche und schmeckt Farben…) entkommt. In einem abgelegenen Berghotel im Unterengadin findet sie eine Anstellung als Physiotherapeutin. </p><p>Doch hier geschieht Seltsames: Morgens schlägt die Turmuhr 12, im Pool liegen Leuchtstäbe und eine Zimmerpflanze verliert alle ihre Blätter. Zufällig hat Sonia gerade das alte Märchen vom „Teufel von Mailand“ gelesen, das all diesen Vorzeichen eine bedrückende Bedeutung verleiht…</p><p>Spannend, atmosphärisch und packend erzählt. Und das Besondere an Suter ist doch, dass seine Texte fast nie peinlich sind. Das sei eine Selbstverständlichkeit, sagen Sie? Mitnichten. Das ist schon sehr, sehr viel. </p>Bernhard Hampphttp://www.blogger.com/profile/01319586915888428443noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-3383147310908339703.post-16365315815944092082022-10-29T09:27:00.000+02:002022-10-29T09:27:25.689+02:00Ein ganz besonderes Buch<p><span style="-webkit-text-size-adjust: 100%; background-color: white; caret-color: rgb(51, 51, 51); color: #333333; font-family: Roboto, "Helvetica Neue", Helvetica, Arial, sans-serif; font-size: 16px;">Das Buch, das ich Ihnen heute vorstellen möchte, hat es in sich. Es ist zeitlos und gerade dadurch modern. Es beginnt schon mit dem fantasievollen Szenario: So etwas hat man vorher noch nie gelesen. Die Handlung sprüht vor Ideen und „Genau so ist es“-Momenten. </span></p><p><span style="-webkit-text-size-adjust: 100%; background-color: white; caret-color: rgb(51, 51, 51); color: #333333; font-family: Roboto, "Helvetica Neue", Helvetica, Arial, sans-serif; font-size: 16px;">In betörend schöner Sprache verfasst, sind Spannung und Lesespaß von der ersten bis zur letzten Seite garantiert. Es zieht die Leserinnen und Leser in den Bann, man lacht Tränen und ist dann wieder gepackt vom Schicksal der Figuren. Wer will nicht am liebsten persönlich ins Buch steigen, um ihnen beizustehen? Das Buch beantwortet entscheidende Alltagsfragen, sagt zuverlässig die Börsenkurse voraus und ersetzt den Gang zum Zahnarzt. Man möchte es gar nicht aus der Hand legen - gut, dass die Fortsetzung genauso perfekt ist. </span></p><p><span style="-webkit-text-size-adjust: 100%; background-color: white; caret-color: rgb(51, 51, 51); color: #333333; font-family: Roboto, "Helvetica Neue", Helvetica, Arial, sans-serif; font-size: 16px;">Wie das Buch heißt? Ich weiß es leider nicht. Es ist eben einfach leichter, eine Rezension zu schreiben als ein Buch. Oder kennen Sie ein solches Buch? Dann verraten Sie es mir. Bitte!</span></p><p><span style="-webkit-text-size-adjust: 100%; background-color: white; caret-color: rgb(51, 51, 51); color: #333333; font-family: Roboto, "Helvetica Neue", Helvetica, Arial, sans-serif; font-size: 16px;"><br /></span></p><p><span style="-webkit-text-size-adjust: 100%; background-color: white; caret-color: rgb(51, 51, 51); color: #333333; font-family: Roboto, "Helvetica Neue", Helvetica, Arial, sans-serif; font-size: 16px;"><i>Erschienen in Schwäbische Post, 28. Oktober 2022</i></span></p>Bernhard Hampphttp://www.blogger.com/profile/01319586915888428443noreply@blogger.com0