Endfünfziger Onno begleitet den Künstler Donald Maria Jochemsen als Leibwächter. Donald ist ein „stadtbekannter Veteran der analogen Boheme" mit Spleen für extravagante Hüte. Vor allem aber ist er ein quengeliger Menschenfeind und „ungut riechender, verzagter Tattergreis". Die Schiffsreise unternimmt er, weil seine Flamme dort als Tänzerin im Showprogramm auftritt. Statt ihr näherzukommen, muss er sich über die Mit-Kreuzfahrer ärgern: „Fratzen", „Klatsch- und Stimmvieh", „Zombies", die sich am Büffet drängeln und „Matronenwülste in Radlerhose" zur Schau stellen.
Onno dagegen fühlt sich gut. Wie auf einer tagelangen Familienfeier, zu der die Sippe, das ganze Dorf und das Nachbardorf geladen sind. Das Essen auf dem Partyschiff schmeckt und der Anblick von Mallorca haut den Hanseaten glatt um: „Schon erhaben, nech?, der Anblick von der beleuchteten Kathedrale, nech?" Leider muss Onno ernüchtert feststellen, „dass alles, aber auch alles einen doppelten Boden hat". Denn dieses Buch wird statt zum Krimi zu einem extrem traurigwitzigen Beziehungsdrama um Älterwerden, geplatzte Träume und verpasste Gelegenheiten.
So ernst der Rahmen, so grotesk-komisch der Stil. Dieses Buch ist ein virtuos-skurriles Wunderkabinett der deutschen Sprache, das selbst die Tücken der Altherrenverdauung mit allen Sinnen erfahrbar macht – ob der Leser will oder nicht: „Und mochte es noch einen gewissen Hörgenuss entfalten, wenn ein Flatus jaulend die Serpentinen des Dünndarms nachbildete – ein Schnupperspaß war es nicht." Aber ein Lesespaß!
Frank Schulz: Onno Viets und das Schiff der baumelnden Seelen. 336 Seiten. 19,99 Euro.
Erschienen in Schwäbische Zeitung, 19. Mai 2015.
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