Sonntag, 30. Dezember 2012

Pierre Magnan: Der Mörder mit der schönen Handschrift

Ein Krimi des in diesem Jahr verstorbenen Autors Pierre Magnan, der 2006 auf deutsch erschienen ist. Das französische Original ist bereits von 1986. Diese Mördergeschichte aus der Haute Provence macht durchaus Spaß, auch wenn sie manchmal arg am Reißbrett entworfen scheint und einige Längen aufweist.

In einer beklemmenden Szenerie, in der durch düstere Schluchten der Mistral heult und die verstockten Bewohner windschiefer Häuser in abweisenden Bergkäffern viel verbergen und wenig sprechen, lässt Magnan die Köpfe rollen: Nacheinander werden mehrere alleinstehende reiche Damen umgebracht, die allesamt einer alten verzweigten Familie angehören. Jedesmal kündigt sich der Mörder beim Opfer mit einer schön geschriebenen Botschaft an. Wenn wieder das Knattern eines Mofas im Dorf zu hören ist, droht Unheil.

Pluspunkte sind die schrulligen Figuren: der pensionierte Kommissar Violette, den seine Intuition und sein Gespür für die Gegend und ihre Menschen auf die Spur bringen, die umworbenen und begehrten, aber doch todunglücklichen Damen, eine verschrobene Kartenspielerrunde, der Mörder selbst, der auf seine skurrile Art höchst bemitleidenswert ist. Auch die Landschaft, die Magnan mit bildreicher Sprache zum Leben erweckt, bietet eine höchst überzeugende Kulisse.

Schade sind die vielen Wiederholungen, die das Buch unnötig in die Länge ziehen. Warum etwa muss jeder der Morde, die alle nach dem selben Schema ablaufen, in aller Breite erzählt werden? Es ärgert ein bisschen, jedesmal nach weiteren 50 Seiten festzustellen, dass alles so gelaufen ist wie immer. Weniger wäre hier mehr gewesen.







Samstag, 22. Dezember 2012

Passig/Lobo: Internet - Segen oder Fluch

Ja, dieses Buch ist so global angelegt, wie es klingt. Es macht sogar den Versuch, mehr als eine Momentaufnahme des Jahres 2012 zu sein. Aber das ist bei im weitesten Sinne medientheoretischen Werken immer sehr schwierig, wenn sie nicht rein historisch angelegt sind.

Dennoch ist den Autoren Kathrin Passig und Sascha Lobo wenig vorzuwerfen, denn sie räumen sehr systematisch mit Totschlagargumenten, falschen Bildern und Ideen im Kopf auf, die die Diskussion um das Internet behindern. Neu war mir der hervorragende Begriff der "reductio ad Hitlerum", eine Sache durch die Behauptung zu widerlegen, das gleiche habe auch Hitler gesagt, gedacht oder gar gemacht.

In einer Weise, die Vergnügen macht, durchaus selbstironisch ist (traut man Sascha Lobo gar nicht zu), und in ganz lichten Momenten Woody-Allen-würdig auf den Boden der Tatsachen zurückholt, werfen die beiden Fragen nach Privatsphäre und Datenschutz in sozialen Netzwerken und nach neuen politischen Beteiligungsmodellen auf. Ist es plausibel, dass sich der Mensch durch sein technisches Umfeld extrem verändert hat, die politischen Entscheidungsprozesse aber die gleichen sind wie vor 50 Jahren? Gute Frage.


Das gute alte Rieplsche Gesetz wird hier mit Recht auseinandergenommen. Das neue Medium verdrängt natürlich das alte, alles andere sind theoretische Spielereien.

Zitat: "Es geht immer auch etwas verloren, an dem die Herzen netter Menschen hingen. Schneller, als man denkt, steht man in diesem Prozess auf der anderen Seite, und dann tut einem die frühere Verurteilung des Alten ebenso leid wie alles, was man einst in jugendlicher Hartherzigkeit über Bäuche, Haarausfall und Falten geäußert hat. Nur wenige Menschen können sich wie geschickte Surfer ein bisschen länger auf dem Wellenkamm des Fortschritts halten, und auch ihnen gelingt das nur in manchen Bereichen ihres Lebens."

Passig und Lobo haben zu vielen Themen viele Schnipsel zusammengetragen. Sympathisch, dass es keine zusammenfassende Leitidee gibt, keine Botschaft, außer der, die sich im Titel ankündigt. Allerdings verheddern sich die beiden allzu oft im Sowohl-als-auch, wenn sich der Leser sehnlich eine klare Ansage wünscht. Es sei eben ein weites Feld, dieses Internet, heißt es dann sinngemäß (zu) oft.