Sonntag, 9. April 2017

Jella Lepman: Die Kinderbuchbrücke

Eine Ausstellung der besten Kinderbücher aus aller Welt -  ist es wirklich das, was die Menschen im zerbombten, ausgehungerten Deutschland des Jahres 1945 am dringendsten brauchen? Wer Bücher liebt und ihre Macht kennt, die Welt umzukrempeln, weiß, dass sich Jella Lepman genau das Richtige in den Kopf gesetzt hatte.

In ihrer 1964 erschienenen Autobiografie "Die Kinderbuchbrücke" beschreibt die Journalistin (1891-1970) ihre Rückkehr nach Deutschland, von wo aus sie als Jüdin einst nach England emigrieren musste. Nun soll sie sich als Angehörige der US Army  mit Offiziersrang verantwortlich um die Re-Education der deutschen Frauen und Kinder kümmern.

Vom US-Hauptquartier in Bad Homburg aus bereist sie zerstörte Städte, erschrickt über den trostlosen Zustand ihrer Heimat Stuttgart. Vor allem die Lage der  Kinder entsetzt sie.

"Die Geschichten, die sie erzählten, sachlich und unbewegt, die Erlebnisse, von denen sie berichteten: Erhängen, Erschießen, Mord, Raub, Verbrechen der niedrigsten Art, nichts war ihnen verborgen geblieben. Trotzdem waren ihre Augen Kinderaugen geblieben, das war das Wunderbare, kaum zu Fassende."
 
Vor allem eine Idee treibt sie um:

"Als eine der Hauptmaßnahmen schlug ich eine Ausstellung der besten Kinder- und Jugendbücher verschiedener Nationen vor. ,Lassen Sie uns bei den Kindern anfangen, um diese gänzlich verwirrte Welt langsam wieder ins Lot zu bringen. Die Kinder werden den Erwachsenen den Weg zeigen.'"

Viele lassen sich begeistern, aber das Geld für eine solche Unternehmung fehlt. So geht Jella Lepman auf Bücher-Betteltour - unter anderem bei Verlagen und ausländischen Regierungen. Schließlich steigt die Ausstellung tatsächlich im Münchner Haus der Kunst, weitere deutschen Großstädten folgen.

In München hebt Jella Lepman eine einzigartige internationale Jugendbibliothek aus der Taufe, die bis heute besteht. Unglaublich, was sie im Nachkriegs-München alles anleiert: Eine von ihrem Weggefährten Erich Kästner geleitete Kinder-Theatergruppe, eine Kinder-UN, ein Buchrezensentenclub für Jugendliche und unendlich viel mehr. Jella Lepman sprüht vor Ideen, lässt sich von den Kindern anstecken und steckt wiederum diese mit ihrem Tatendrang an.

Nicht nur ein spannendes Stück Zeitgeschichte, sondern auch ein mit witzigen Anekdoten gespicktes Lesebuch. Jella Lepmann erzählt amüsant und scharfsinnig, wie sie (meist) Männern auf den Zahn fühlt, niemals locker lässt und dabei sehr oft erreicht, wovon sie träumt. Das macht allen Weltverbesserern Mut.