Mittwoch, 14. Dezember 2016

Karl Eugen Heilmann: Kräuterbücher in Bild und Geschichte

Kräuter und Bücher - und zwar alte kostbare, seltene, illustrierte - sind zwei meiner Leidenschaften. Was will man also mehr als ein Buch über Kräuterbücher? Dieses hier ist ein wirklich umfassendes Kompendium aus dem Jahr 1966 (ich habe die zweite Auflage von 1973) über die Bücher, die im Laufe von Jahrhunderten zum Thema Heilkräuter erschienen sind.

Kräuterbücher gehörten neben den religiösen Schriften zu den am weitesten verbreiteten Büchern. Sie wurden sowohl von Ärzten und Heilkundigen als auch von Laien als medizinische Nachschlagewerke benutzt. Deshalb sind gut erhaltene Kräuterbücher heute sehr selten und entsprechend teuer. Faszinierend sind sie auch wegen ihrer zum Teil aufwendigen und liebevollen Illustrationen.

Karl-Eugen Heilmann, Apotheker aus Mainz und weit gereister Büchersammler, über den es im Klappentext heißt, er habe 1966 "in überraschend körperlicher und geistiger Frische" seinen 80.  Geburtstag gefeiert, hat sein Leben lang Kräuterbücher gesammelt. Er stellt in diesem Buch die schönen Stücke aus seiner stattlichen Sammlung vor, beschreibt sie und ordnet sie ein.

Die Reihe beginnt bei Heilkunst-Darstellungen der alten Ägypter im Papyrus Ebers über Werke der antiken Autoren Hippokrates, Dioskurides und Galen, chinesische, japanische und arabische Schriften zur Kräuterkunde und stellt mittelalterliche Handschriften, etwa der Hildegard von Bingen (1098-1179), vor.

Großen Raum nimmt das Werk des Druckers und Gutenberg-Mitarbeiter Peter Schöffer (1425-1503) ein, dessen reich illustrierter "Gart der Gesundheit" vielfach nachgedruckt wurde. Ebenso die Werke von Hieronymus Brunschwig (1450-1512) sowie der drei Väter der Botanik, Otto Brunfels (1488-1534), Hieronymus Bock (1498-1554) und Leonhart Fuchs (1501-1566).

Eines der schönsten Pflanzenbücher überhaupt ist der Hortus Eystettensis, in dem Basilius Besler 1613 den herrlichen Kräuter- und Blumengarten des Eichstätter Fürstbischofs Konrad von Gemmingen auf der Willibaldsburg verewigte. In Heilmanns Buch ist seine Großartigkeit zu ahnen, wenn auch die Abbildungen nur in Schwarzweiß reproduziert sind.

Die Auswahl geht quer durch die Jahrhunderte, bis zur photolithographischen Darstellung von Farnen Ende des 19. Jahrhunderts. Auch wenn Heilmanns Sprache nicht geschliffen ist, sondern etwas hölzern, so ist doch sein Bemühen, die Einzelstücke in einen Kontext einzuordnen und einen brauchbaren Überblick zu schaffen, nicht hoch genug zu schätzen. Er liefert zahllose pharmazeutische Anmerkungen zu den abgebildeten Heil- und Zauberpflanzen (darunter immer wieder die Alraune), vermittelt aber auch Wissenswertes zu Drucktechnik, Typographie und Buchgestaltung. Seine Liebe zu den wertvollen Stücken seiner Sammlung scheint immer durch und macht dieses Buch lesenswert.

Für mich war es auch die Gelegenheit, ein anderes wunderbares Buch wieder aus dem Schrank zu holen: den Katalog der Ausstellung "Das Kreüterbuch. Holzschnitt-Illustrationen aus der Kräuterbuchsammlung der Universitätsbibliothek Eichstätt-Ingolstadt" von 2004. Er ist mit den farbigen Illustrationen der alten Kräuterbücher geschmückt und nach den einzelnen Heilpflanzen sortiert.


Dienstag, 13. Dezember 2016

Walter Moers: Das Labyrinth der träumenden Bücher

Diese Fortsetzung der faszinierenden Stadt der träumenden Bücher von 2004 hätte ich schon längst lesen sollen. Schließlich ist sie bereits 2011 erschienen. Immerhin habe ich es doch noch vor dem Erscheinen des dritten Teil von Walter Moers Buchhaim-Trilogie geschafft - weil dieser nun mehrfach angekündigt und immer wieder verschoben wurde, zuletzt auf unbestimmte Zeit.

"Sie Glückspilz! Denn dann können Sie es noch zum ersten Mal lesen! Wie ich Sie beneide!" (Zitat eines sogenannten Librinauten, eines Buchpiraten)

Autor und Erzähler (Walter Moers ist wie immer nur der Übersetzer aus dem Zamonischen) dieser Geschichte ist wie beim ersten Band der Dinosaurier Hildegunst vom Mythenmetz. Der zamonische Dichter-Titan leidet darunter, dass ihm das Orm, die dichterische Inspiration, verloren gegangen ist, und er zum satten, selbstzufriedenen Großdichter wurde. Da erreicht ihn eine folgenschwerer Brief. Der Schattenkönig, sein tot geglaubter großer Gegenspieler, sei wieder da.

Mythenmetz kehrt nach 200 Jahren an den Schauplatz seines großen Abenteuers zurück. Die Antiquariatsstadt Buchhaim ist nach dem verheerenden Brand teils aus versteinerten Büchern wieder aufgebaut worden. Mythenmetz entdeckt sie neu, vor allem nimmt ihn die Kunst des Puppenspiels gefangen, die in Buchheim eine Blüte erlebt. Als er schließlich einer Einladung in ein rätselhaftes unsichtbares Theater folgt, landet er unversehens wieder dort, wo er niemals hin wollte: Im unterirdischen Labyrinth der träumenden Bücher. 

Mit den Worten "Hier fängt die Geschichte an" endet das Buch. Das Schloss der träumenden Bücher, der angekündigte dritte Teil, löst dann hoffentlich vieles auf und erklärt so einiges, was in diese an inhaltlich-dramatischen Höhepunkten armen Vorspiel zunächst als Länge erscheint.

War die Stadt der träumenden Bücher eine faszinierende Liebeserklärung an das Buch, den Druck, die Sprache, die Fantasie, tut es ihr dieser Band gleich, ist aber gleichzeitig eine Hommage an das Puppentheater. Wie im Vorgängerband sprengt der Autor mit seiner Fantasiewelt alle Grenzen, stürzt sich kopfüber ins Abenteuer und fabuliert um sein Leben.

Dabei trifft er immer perfekt den Ton und behandelt die deutsche Sprache mit unvergleichlicher Liebe. Moers-Mythenmetz sprüht vor Ideen und streut im Vorbeigehen Hunderte weiterer möglicher Geschichten, ein. Die bloße Erwähnung eines Theaterstücks namens König Furunkel und der ertrunkene Donnerstag sorgt doch schon für bestes Kino im Kopf. Und dann ist wieder fröhliches Rätselraten angesagt: Welche Dichteranagramme verbergen sich hinter Zamoniens berühmten Literaten? Dölerich Hirnfidler ist Friedrich Hölderlin, Akud Ödreimer ist Eduard Mörike, Eiderich Fischnertz ist Friedrich Nietzsche und Heidler von Clirrfisch ist Friedrich von Schiller. Aber Artikularius Silbenpichler?

Das Foto des Labyrinths stammt von einer Walter-Moers-Ausstellung in Bad Mergentheim 2013.