Dienstag, 26. März 2013

Brian Clegg: Inflight Science

Je nach Betrachtungsweise ist Fliegen eine sehr langsame Art der Fortbewegung. Den Großteil des Fluges verbringen Passagiere mit Warten - worauf auch immer.  Geduld ist gefragt. Dass Fliegen etwas absolut Faszinierendes ist, vergisst, wer viel im Flugzeug unterwegs ist.

Dieses Buch wertet nicht nur das Warten auf, sondern gibt auch die Faszination zurück und schärft den Blick für das Spannende und Interessante, das Flugreisende umgibt. Brian Clegg erklärt Fliegen wissenschaftlich. Von der ersten Gepäckkontrolle bis zur Landung. Überall steckt Wissenschaft drin und der Leser erfährt alles darüber.

Wie funktioniert ein Metalldetektor? Was bedeuten die Schilder und Zeichen auf dem Flughafen und im Flieger?  Woran orientiert sich der Autopilot? Warum startet ein Flugzeug besser gegen den Wind? Wie können Flugreisende mit einem Blick aus dem Fenster Größenverhältnisse und Entfernungen auf der Erde bestimmen? Warum mäandern Flüsse?  Woher hat das Meer seine verschiedenen Farben? Welche Wolkenformationen haben welche Auswirkungen? Ist der Regenbogen ein Regenring? Was hilft gegen Jetlag? Warum schaltet die Crew während der Landung das Licht in der Fluggastkabine aus? Und so weiter, und so weiter. Dazu begegnet der Reisende auf dieser Expedition ständig den Herren  Newton, Galileo und Einstein. Information satt, aber immer verständlich und locker-lesbar (britisch eben) aufbereitet.

Ich gebe zu, das komplette Buch zu Hause auf 441 m über NN gelesen zu haben. Das hat den Vorteil, dass ich die von Clegg in jedem Kapitel vorgeschlagenen Experimente machen konnte, ohne zumindest verwunderte Blicke von Mitfliegern zu ernten. Andererseits könnte leicht verschrobenes Verhalten - das Pusten auf ein Blatt Papier, um das Verhalten von Flugzeugflügeln nachzuempfinden, gehört noch zu den diskreteren Tätigkeiten - durchaus die Kontaktaufnahme zu Mitreisenden erleichtern. Wie überhaupt dieses Buch perfekt ist, um eine Konversation zu beginnen: "Wussten Sie eigentlich, dass..."

Donnerstag, 21. März 2013

Theodor Heuss: Von Ort zu Ort

Nebenan ein Bild vom Bücherflohmarkt Gröbenzell, wo ich dieses Buch gekauft habe: Reisereportagen, die der spätere Bundespräsident hauptsächlich in den 1910er und 1920er Jahren verfasst hat. Die Sammlung selbst ist 1959 erschienen. "Wanderungen mit Stift und Feder" heißt der Untertitel des Buches. Neben Beschreibungen von deutschen und europäischen Städten und Landschaften finden sich auch Zeichnungen der besuchten Orte aus Heuss' Skizzenbüchern darin.
 
Es ist diese schöne, vergessene Art, vom Reisen zu erzählen, wie man sie auch in den herrlichen alten Merian-Heften - zwischen Werbung für Salem-Zigaretten, Pelikan-Füllhalter und Super-8-Kameras - findet. Immer, auch bei Kurzbesuchen, mit respektvoller Langsamkeit. Manchmal im Stil zugegeben etwas behäbig, altväterlich. "Das Volk ist derb, gesund und fromm", schreibt Heuss über die Oberschwaben. Na ja, stimmt ja irgendwie.

Heuss beschreibt Fassaden, Straßen und Kirchenräume minutiös. Er schaut genau hin und lässt das auch den Leser tun. Über eine Gasse im holländischen Delft schreibt er, sie sei mit "Ziegeln gepflastert. Aber gepflastert klingt schon zu derb. Man möchte sagen: belegt." -  "Ich sammele mit geruhsamem Fleiß Bilder und Blicke", sinniert Heuss in seinem Artikel zu Naumburg

Aber er weckt auch die Geschichten, die in den Dingen schlummern, erzählt, was sie im Laufe der Jahrhunderte erlebt haben, wonach sie sich sehnen. Die Lektüre wertet heute noch einen Besuch in einem der beschriebenen Orte unwahrscheinlich auf und verleitet dazu, auf Entdeckungsreise zu gehen und tiefer in die Geheimnisse der Städte, Kirchen und Landschaften einzudringen.

Leider könnte es bei diesem Unternehmen dennoch zu einigen Enttäuschungen kommen: Während einige Städte, die Heuss besucht hat -  etwa Nördlingen, Eichstätt oder Bamberg (Ravenna, Venedig und Oxford sowieso) - weitgehend intakt geblieben sind, hat der Krieg von der einstigen Pracht vieler anderer wenig übrig gelassen. Heuss' Heimatstadt Heilbronn, von deren Brücken und Treppen, der "Giebelwelt der alten Straßen und Gassen" er schwärmt, gilt heute als wenig sehenswert. Immerhin hat Heuss in seinen hübschen Reportagen ein Stück der alten Schönheit über die Zeit gerettet.