Sonntag, 4. Juni 2017

Penelope Fitzgerald: Die Buchhandlung

Dieser hervorragende Roman, 1978 erschienen, 2000 in deutscher Übersetzung, ist kalt, grau, strähnig und zerfasert. So wie der Himmel über dem verlassenen und abgeschnittenen ostenglischen Küstendorf Hardborough. Die Witwe Florence Green kauft hier 1959 ein feuchtes Spukhaus am Meer, um die erste Buchhandlung am Ort zu eröffnen.

Was es hier gibt, sind nasse Gummistiefel, Neid, traumloser Schlaf, Schweigen, geheime Absprachen, bedrückende Geheimnisse, ängstliche Bankangestellte, intrigante Verklemmte, Verhärmte. Alle sind unfassbar einsam, auch der rückgratlose BBC-Reporter, auch das altkluge, berechnendes und doch hilflose zehnjährigs Mädchen Christine, auch die ebenso reiche wie ehrsüchtige und niveaulose Dorfschnepfe, die Intrigen spinnt.

Dass es an diesem trostlosen Ort Platz für eine Buchhandlung gibt, ist schwer vorstellbar. Penelope Fitzgerald zeigt aber in meisterhaft lakonischem Stil, dass alles noch viel, viel niederschmetternder ist. Hoffnung? Fehlanzeige. Mitgefühl? Hilfsbereitschaft? Nichts.  Nichts durchdringen, nichts verstehen. Der einsame, alte Mr Brundish, der einer ältesten Familien Suffolks entstammt und zu Florence auf seine eigenbrötlerische Weise minimalen Kontakt herstellt, sagt: "Verstehen macht denkfaul." Vieles bleibt im Vagen, ein Happy End gibt es höchstens für die Bösartigen.

Bösartig sind Hardboroughs Einwohner eigentlich durchweg. Misstrauisch, geldgierig, stumpf. Florence wiederum ist unfassbar gutgläubig, unerfahren in geschäftlichen Dingen, dabei stur und dumm. Mitleid kommt nicht auf. Fühlt sie etwas? Liebt sie Bücher? Liest sie? Warum nimmt sie das Wagnis auf sich? Liebt sie das Meer, die Einsamkeit, den rauen Wind? Möchte sie das Leben noch einmal richtig spüren? All das bleibt verwaschen. Florence ist seltsam apathisch. Auch am Schluss, als sie geschlagen davonzieht und die Felder "überall, zu beiden Seiten der Straße unter schimmerndem Wasser" stehen.