Freitag, 24. August 2018

Markus Zusak: Die Bücherdiebin

In Liesels Welt sind Bücher kostbare Mangelware.  Die Neunjährige muss sie  stehlen - sie kann nicht anders: Sie greift sich das Buch, das dem Totengräber bei der Beerdigung von Liesls kleinem Bruder aus der Tasche fällt. Sie schnappt sich ein Buch, das fast unversehrt auf dem Scheiterhaufen übrig bleibt, den die Nazis angezündet haben.Sie steigt in die Bibliothek der verhärmten Frau des Bürgermeisters ein, die über den Tod ihres eigenen Sohnes nicht hinwegkommt.

Und schließlich schreibt Liesel selbst ein Buch über ihr eigenes Leben. Es geht im Bombenchaos des Weltkriegs verloren - und wird vom Tod gefunden. Der Tod in Person ist auch der Ich-Erzähler, der in Markus Zusaks Roman die Geschichte von Liesel Meminger berichtet.

Autor Markus Zusak wuchs in Sydney als Sohn deutsch-österreichischer Eltern auf, die die Nazizeit in Deutschland verbracht haben. So hat er durchaus einen Bezug zu dem Land und der Zeit, durch die er seine Figuren irren lässt. Ohnmächtig, überfordert, bemüht, in all dem Chaos ein alltägliches Leben zu führen. Zusak findet gewagte, immer zur Situation passende Sprachbilder:

"Er ließ das Akkordeon fallen und seine silbrigen Augen begannen zu rosten. Jetzt war er nur noch ein Körper auf der Straße."

Das Besondere an diesem Roman sind die Figuren, die so viel über ihre Zeit aussagen. Die kleine  Liesel Meminge kommt 1939 zu Pflegeeltern nach Molching bei München. Ihre leiblichen Eltern waren Kommunisten. Mehr ist über ihr Schicksal nicht zu erfahren. Ihre bärbeißige Pflegemutter Maria Hubermann schimpft und donnert unentwegt, "Saumensch" nennt sie das Mädchen. Doch im Grunde ist sie ein liebevoller, tapferer Mensch. Genauso wie Liesls Pflegevater Hans Hubermann, ein gutmütiger Anstreicher und Akkordeonspieler.

Dazu gesellt sich der jüdische Boxer Max, den die Hubermanns vorübergehend in ihrem im Keller verstecken und der für Liesel ein Freund und Gefährte wird. Doch sie muss das Geheimnis bewahren, darf niemanden von Max berichtetn - nicht einmal dem Nachbarsjungen Rudi Steiner, der Liesel liebt, und alles für einen Kuss des Mädchens geben würde. In Gestalt eines verheerenden Bombenangriff kommt die Apokalypse über Molching herein - die Schlusskapitel gestaltet der Tod als Monolog. Das ist für Jugendliche und Erwachsene gleichermaßen spannend und bewegend.

Dienstag, 21. August 2018

Takis Würger: Der Club


Keine Rezension zu diesem Buch. Ich habe auf Seite 80 aufgegeben. Ist nicht meins. Wer aber die Pop- und Champagnerliteraten der 90er-Jahre geliebt hat, dem wird auch dieses Buch gefallen.

Die Handlung, soweit ich sie mitbekommen habe: Ein armer Waisenknabe lernt als Kind boxen und soll im Auftrag seiner Tante an der Universität Cambridge einem exklusiven Boxclub beitreten, um dort ein Verbrechen aufzuklären. Hört sich ja grundsätzlich mal ganz gut an.

Aber wie gesagt: Takis Würgers Stil ist nicht mein Ding. Das ist ja das Gute an diesen unbeauftragten und unbezahlten Rezensionen: Keiner zwingt einen, ein Buch zu Ende zu lesen.

Samstag, 4. August 2018

Vincent Almendros: Un été

Ein wunderbar leichtes, gewichtiges Buch für den Sommer und darüber hinaus.

In wenigen, kurzen Kapiteln erzählt Almendros von einem Segeltörn, zu dem Jean seinen Bruder Pierre - den Ich-Erzähler - mit seiner neuen Freundin Lone eingeladen hat. Die vierte auf dem Boot, das viel enger ist, als Pierre vermutet hatte, ist Jeans Frau Jeanne, die früher mit Pierre ein Verhältnis hatte und ihn für Jean verließ.

Es ist eng. Man kann sich nicht aus dem gehen. Immer wieder finden Pierres Blicke Jeanne. Und sie blickt zurück. Beim Aufenthalt auf Capri ist Pierre so in Gedanken verloren, dass er seine Freundin Lone auf einem Platz in der Stadt vergisst. Dann kommt es, wie es kommen musste: Jean muss Lone mit zu einem Arzt nehmen, Jeanne und Pierre bleiben allein an Bord. Zu spät merkt Pierre danach, dass er seine Schildmütze in Jeannes Bett vergessen hat.

Der sommerlich unbekümmerte Leser glaubt, mit Pierre die versteckten Zeichen zu entdecken.

"Là, dis-je, le nom du bateau.
Je fixais ces lettres bleu cobalt inscrites sur le fond blanc à l'arriere du voilier. Je m'en approchais et élognais, au gré des vagues. Je les fixais et finissais par ne plus penser à autre chose: REVIENS."

Pierre und Jeanne tauchen. Er hat die Augen zuerst geschlossen, öffnet sie dann:

"...Jeanne apparassait de temps en temps dans mon champs de vision, et cette forme, quoique nébuleuse et imprécise, était rassurante."

Er findet sie. Sie finden sich. Ein Schaden am Motor, ein Gewitter und der plötzliche Tod von Jeannes Mutter unterbrechen den Segeltörn. Lone geht. Sie kehrt zurück in ihre skandinavische Heimat. In Wirklichkeit ist alles viel doppelbödiger, ein großes Theaterspiel, ein perfider Krimi. Wer am Schluss feststellt, das ganze Buch durch auf die falschen Zeichen geachtet zu haben, bekommt Lust, noch einmal von vorne zu lesen zu beginnen.

Ganz große Literatur!