Donnerstag, 28. Juli 2022

Kazuo Ishiguro: Als wir Waisen waren

 

Erschienen 2000. Als Kind wächst Christopher Banks wohlbehütet in einer britisch-internationalen Siedlung in Shanghai auf. Da verschwindet plötzlich sein Vater spurlos - wurde er entführt? Mit seinem japanischen Freund Akira spielt Christopher Detektiv. Wieder und wieder finden sie den Vater, den die Entführer, da sind sich die zwei Hobbydetektive sicher, gut und respektvoll behandeln. Schließlich verschwindet aber auch die Mutter. Christopher ist nun eine Art Waise und wird nach England geschickt.

Dort spielt der inzwischen junge Mann nur zu gerne weiter - er wird tatsächlich Detektiv, löst einige schwierige Fälle, eine Erbschaft macht ihn finanziell unabhängig. Auf dem Höhepunkt seines Ruhms macht er sich nach Shanghai auf, um nach seinen verschwundenen Eltern zu fahnden. 

Die unglückliche Frau eines sadistischen englischen Politikers möchte von dort mit ihm durchbrennen. Und kurz sieht es so aus, als würde Christopher aus seiner Detektivspiel-Traumwelt ausbrechen. Doch er zieht es vor, mitten im Schlachtfeld nach dem Haus zu suchen, wo seinen Schlussfolgerungen nach immer noch seine Eltern gefangen gehalten werden. Er spielt also weiter Detektiv, trifft zwischen den Fronten seinen alten Freund Akira wieder und wird trotz tobenden Kriegs von allen Seiten ausnehmend respektvoll behandelt... 

Aber natürlich hat das Spiel irgendwann ein Ende. Von Kazuo Ishiguro meisterhaft doppelbödig inszeniert. Was ist Realität, was ist Spiel? Gerade diese Frage macht die Faszination aus.

Samstag, 9. Juli 2022

Andreas Sturm: Ich muss raus aus dieser Kirche

 

… Weil ich Mensch bleiben will. Ein Generalvikar spricht Klartext.“ So der volle Titel des neu erschienenen Buches.

Andreas Sturm, katholischer Priester und zuletzt Generalvikar in Speyer, beschreibt seine Entfremdung von und Verzweiflung an der römisch-katholischen Kirche, die ihn nun zum Austritt bewegt haben. Eine offene und treffsichere Abrechnung mit der  Kirche aus der Sicht einer ihrer Führungskräfte.

Sturm porträtiert eine unglaublich arrogante Institution, die Menschen, die ihr noch vertrauen und ihr Unmengen an Geld geben, missbraucht, entwertet, demütigt, an den Rand drängt. Nichts davon ist eine Enthüllung, alles kann  einem täglich begegnen - für viele ist es einfach unerheblich, weil die aus der Zeit gefallene katholische Kirche immer kleiner und bedeutungsloser wird.

Das Buch ist buchstäblich mit der heißen Nadel gestrickt. Deshalb ist es sprachlich nicht sehr gelungen, wirft mit bürokratischen Schachtelsätzen, Passivformulierungen, und unendlich oft dem Wörtchen „man“ um sich. Vielleicht ist dem Autor die Sprache der Kirche, welche die Menschen kaum noch erreicht,  zu sehr in Fleisch und Blut übergegangen. Das macht es ja andererseits auch authentisch. Aber Formulierungen wie „Die evangelischen Kirchen haben mit ihren Syoden (sic!) eine lange Tradition und die episkopalen Kirchen und die Alt-Katholiken haben gezeigt, dass man auch Synodalität und bischöfliche Verfasstheit gemeinsam denken und praktizieren kann“, machen es nicht leicht, dieses wichtige Zeitdokument zu lesen. Inhaltlich aber ganz sicher ein mutiges, wegweisendes Buch, das zum richtigen Zeitpunkt kommt.