Mittwoch, 19. Dezember 2018
Martin Suter: Die Zeit, die Zeit
Peter Taler kann den Tod seiner Frau Laura vor einem Jahr einfach nicht fassen. Scheinbar grundlos wurde sie vor der eigenen Haustür niedergeschossen. Taler will nicht ruhen, bis er den Mörder gestellt hat.
Bei seinen Ermittlungen kommt er mit dem verschrobenen Nachbar Knupp in Kontakt, der seine ganz eigene Theorie zum Thema Zeit verfolgt: Er ist nämlich überzeugt, dass jene gar nicht existiert.
Menschen altern nicht wegen der Zeit, so glaubt Knupp, sondern wegen der Zellteilung. Bäume wachsen, Menschen verändern Dinge. Nicht die Zeit vergeht, nur Veränderungen sind spürbar. Macht man diese Veränderungen rückgängig, dann kann man quasi in der Zeit reisen, und zwar zu jedem beliebigen Punkt - auch zu jenem, an dem Laura noch lebt. Das hat einen gewissen Charme für Taler. Er möchte Knupp gerne glauben und unterstützt ihn bei seinem wahnwitzigen Vorhaben: Dieser möchte nämlich einen Tag vor mehr als 20 Jahren wieder zurückholen: Alles muss exakt so sein wie damals.
Auch Knupp will nämlich seine Frau zurück, die damals an Malaria gestorben ist. So machen sich beide daran, gealterte Bäume in den umliegenden Gärten gegen jüngere auszutauschen, Knupps Wohnung umzugestalten und die Autos zu besorgen, die damals in der Straße standen. Dafür beauftragen sie eine Filmdekorationsfirma und eine Gärtnerei, betreiben einen unfassbaren Aufwand und geben horrende Summen aus. Als der Tag x immer näher rückt, kommt Taler gleichzeitig - quasi als Nebenprodukt - dem Mörder seiner Frau immer mehr auf die Spur.
"Man bringt es einfach nicht aus dem Kopf, dieses Zeit-Ding", sagt Angela, eine junge Anhängerin von Knupps Theorie, die die beiden zufällig kennenlernen. Zeit ist ein Konstrukt. Wir räumen ihr zu viel Macht ein und machen sie zur Herrin darüber, wie wir Geschichten erzählen. Genau damit ist hier gespielt.
Der Schluss kommt unverhofft und zeigt, dass Schriftsteller, wenn sie gut sind, sehr mächtige Wesen sind. Könnte auch von Herbert Rosendorfer sein, das Ganze - auch wenn im Vergleich dazu der Schuss Phantastik fehlt. Suter setzt dagegen seinen typischen Wirtschaftsrealismus: Probleme und kleine Ungereimtheiten in der Handlung werden mit Geld gelöst, große Probleme mit viel Geld.
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