Freitag, 18. April 2014

Herbert Rosendorfer: Der Meister

 
"Der Meister" ist einer der letzten unter Rosendorfers zahlreichen Romanen. So zahlreich, so gut, denn der 2012 verstorbene Südtiroler wird chronisch unterschätzt und gehört mit Sicherheit zu den größten deutschsprachigen Erzählern der vergangenen Jahrzehnte.


"Der Meister" ist ein Palaver unter Freunden in einem venezianischen Restaurant. Die beiden erinnern sich an ihren früheren Freundeskreis, eine illustre Runde von Studenten der Musikwissenschaft samt Entourage.

Dazu gehören der göttliche Giselher mit seinen nicht immer fundierten, aber stets beeindruckenden Vorträgen zu allen erdenklichen Themen. Carlone, der aberwitzige Mengen isst, weil er Angst hat, zu verhungern. Die schöne und intelligente Helene Romberg, die mit Vorliebe nackt ist und deren genaue Beziehung zum ebenso tierlieben wie bauernschlauen Monisgnore Rohrdörfer - auch er eine schillernde Randfigur - nicht ganz geklärt wird. Ein kurioses Personal, das teils liebenswert, teils unausstehlich, meist beides ist.

Das gilt im Besonderen für den Titelhelden, den alle den Meister nennen, einen "linkischen, dürren, schwarzstrubbeligen Pedanten und Besserwisser", einen "leicht wurzelzwergischen, rumpelstilzigen ewigen Doktoranden", der ein besonders gefährlicher Besserwisser ist, weil er alles, wovon er spricht, wirklich besser weiß.

Bei allem Genie und unerschöpflichen Wissensschatz ist dieser Meister eine tragische Figur, die unter ärmsten Verhältnissen lebt, an panischer Prüfungangst leidet und obendrein mit Haut und Haar der vorlauten und egozentrischen Emma Raimer verfallen ist.

Ein Verleger hilft dem armen Schlucker zu einem kleinen Verdienst, indem er in Artikel für ein Musiklexikon schreiben lässt. Ab hier nimmt der Plot eine aberwitzige Wendung, wobei dem verkannten Komponisten Thremo Tofandor eine entscheidende Rolle zukommt. Aus den launigen Anekdoten heraus wuchert ein astreiner Krimi.

Wie immer bei Rosendorfer schlägt die Handlung Haken und leuchtet in jeden Winkel des Menschlichen hinein, wo dann allerhand zum Vorschein kommt. Jede Figur, und wird sie auch noch so kurz von der Handlung gestreift, zieht eine Lebensgeschichte nach sich.

"Der Meister" ist einer jener kleinen Romane, mit denen Rosendorfer sich einmal mehr selbst als Meister der Sprache und weiser Geschichtenerzähler erwiesen hat.

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