Dienstag, 21. März 2017

Benedict Wells: Vom Ende der Einsamkeit

"Das Gegengift zu Einsamkeit ist nicht das wahllose Zusammensein mit irgendwelchen Leuten. Das Gegengift zu Einsamkeit ist Geborgenheit."

Drei Geschwister, die früh beide Eltern bei einem Autounfall verloren haben, versuchen, jedes auf seine eigene Weise, der Einsamkeit zu entkommen.

Erzählt wird die Familiengeschichte von Jules, dem "Erinnerer und Bewahrer", der nach dem frühen Verlust im Internat keinen Anschluss findet, sich aus  Verpflichtungsgefühl seinem Vater gegenüber erfolglos als Fotograf versucht, ein Studium abbricht und ohne große Freude bei einem Musiklabel arbeitet.

Der dann über viele Umwege seine große Liebe aus Internatszeiten wieder gewinnt - und verliert. Halt findet er im Schreiben und in der Sorge um seine beiden Kinder, die ihm den Spiegel vorhalten und seine gegensätzlichen Wesenszüge verkörpern: ängstlich und mutig.

Jules' älterer Bruder Marty, im Internat ein verschrobener Nerd mit fettigen Haaren, später erfolgreicher Computerunternehmer, führt eine ungewollt kinderlose Ehe in einem viel zu großen Haus und wird seine Zwangsneurose ein Leben lang nicht los.

Die Schwester Liz schließlich flüchtete vor der Realität in Rausch und Affären. Den Zauberer Toni, ebenfalls ein Internatsfreund, der sie vergöttert und nie aufgibt, lässt sie nicht völlig an sich heran.

Diese traurige Geschichte ist stimmig und einfühlsam erzählt. Manchmal kommt sich recht bedeutungsschwer daher. Das bringt dann auch ungelenk pathetische Sätze wie den oben zitierten mit sich, oder:

"Wie so oft, wenn sich ein Schauspiel in der Natur mit meine Sehnsüchten und Erinnerungen verband, spürte ich ein leichtes Ziehen in der Magengrube."

Ansonsten ist das sehr, sehr schöne Literatur. Ein Roman wie ein lange vergessenes und wieder entdecktes Familienalbum, in das Seiten herausgerissen und nachträglich wieder hineingeklebt wurden und in dem einige Fotos lose sind. Das Leben ist kein Nullsummenspiel, sondern ein Kommen und Gehen. Soundtrack und Hintergrundrauschen zu dieser nachdenklichen Suche nach Geborgenheit liefern Nick Drake und Paolo Conte, Nabokov, Hemingway und Carson McCullers.

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