Dienstag, 24. Februar 2015

Ernest Hemingway: Die Sturmfluten des Frühlings

Scripps O'Neil denkt und redet einfach. Wie jemand, der verstanden hat, dass ihn das viele komplizierte Denken nicht richtig glücklich gemacht hat. In Mancelona haben ihn seine Frau und seine Tochter unvermittelt verlassen: Jetzt geht er nach Chicago, im eisigen Wind das Eisenbahngleis entlang.

Er bleibt im Kaff Petoskey hängen, wo er Diana, die ältliche Bedienung in Browns Bohnenstube heiratet. Diana hofft, Scripps zu halten, und abonniert deshalb Literaturzeitschriften, um mit ihm angeregte Gespräche zu führen. Sie verliert ihn dennoch - an Mandy, die hübschere Kellnerin der Bohnenstube, die Scripps ihrerseits mit originellsten literarischen Anekdoten unterhält.

In die Bohnenstube verschlägt es auch Yogi Johnson, Kriegsveteran und Arbeiter in der Pumpenfabrik. Obwohl der Chinook, der Frühlingswind bläst, begehrt Yogi keine Frauen mehr. Schuld ist ein unschönes Erlebnis mit einer Pariser Hure. Er zieht mit Waldindianern um die Häuser. Als aber eine Squaw, die nichts am Leib trägt als ein Paar abgetragene Mokassins, die Bohnenstube betritt, kehren Yogis Lebensgeister wieder. Er folgt der Squaw durch den Schnee und wirft seinerseits die Klamotten von sich.

Dieser kleine Roman zeigt, wie einfach es ist, etwas wirklich Witziges zu schreiben. Zumindest, wenn man Hemingway heißt. Die Figuren in diesem Büchlein verlieren nicht viele Worte, doch alle zeigen auf ihre beschränkte Art Mitgefühl. Und keiner will etwas Böses. Stattdessen zitieren alle unentwegt John dos Passos, Henry James, Joris-Karl Huysmans und William Wordsworth. Ein bunter Strauß gepflegter Stilbrüche. Dazu Hemingways depperte Kommentare aus dem Off. Ein Gustostückerl.

Ein Buch von der Sorte, bei der man als Leser sofort beginnt, sich den aberwitzigen Sprachduktus anzueignen. Bei mir ist das ähnlich geschehen mit Christan Reuters Schelmuffsky und Ludwig Thomas Jozef Filser. Allerdings sollte keiner auf die Idee kommen, so zu schreiben versuchen wie Hemingway. Daran haben sich schon zu viele die Zähne ausgebissen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen