Donnerstag, 16. Oktober 2014

Marion Brasch: Wunderlich fährt nach Norden



Wunderlich lässt sich treiben und trifft nicht gerne Entscheidungen. Als Bildhauer gescheitert, schlägt er sich als Zeichenlehrer durch. Er ist 43, geschieden und hat seit Jahren keinen Kontakt mehr zu seinem Sohn. Am Tag, als seine Freundin Schluss mit ihm macht, erhält Wunderlich eine SMS von „Anonym".


Diese unbekannte Person schickt ihm noch weitere Nachrichten und bringt ihn dazu, in den Zug nach Norden zu steigen und auszubrechen. Auf dieser Reise, die ans Meer führt und Wunderlich mit einer Menge skurriler und liebenswerter Menschen zusammenbringt, sind „Anonym" und dessen SMS sein ständiger Begleiter. „Anonym" ist allwissend und liefert Wunderlich immer wieder ungefragt Details aus der Vergangenheit oder Zukunft von Personen, die Wunderlichs Weg kreuzen.
 

Eine schöne und magische Sommergeschichte, die die Radiomoderatorin Marion Brasch da aufgeschrieben hat. Die Sprache ist klar, knapp und federleicht.

Dass die Erzählung manchmal arg bedeutungsschwanger daher kommt und stilistische Ausrutscher passieren (das Feld mit "verdorrten Sonnenblumen, die deprimiert auf den trockenen Boden starrten und darauf warteten, endlich geerntet zu werden", „die frische Abendluft, die sie mit Marihuana schwängerten", Arme, die „schwer wie Blei" sind), zerstört den insgesamt positiven Eindruck nicht. Es gibt nämlich auch fabelhafte Formulierungen wie die „müden Montagsgestalten", die im Bus hocken.
 
Märchenhaft und übertrieben ist diese Geschichte – wunderlich eben. Allerlei Unwahrscheinliches und Übersinnliches begegnet dem Helden: wie das das leuchtende Blauharz, das Verletzungen heilt, und auch gleich die Erinnerung an die Verletzungen löscht. Vor allem die Erzählweise, die sich allen Figuren behutsam und unvoreingenommen nähert, und sie nicht in Schubladen steckt, lässt staunen und lächeln.
 
So wie die Männchen, die Wunderlichs Reisebekanntschaft Toni – das Mädchen mit den kurzen Stoppelhaaren – zeichnet. Sie bestehen zwar nur aus Strichen, treffen den Charakter der Dargestellten aber immer perfekt.









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