Mittwoch, 25. Juli 2018

Christoph Meckel: Der wahre Muftoni

Wer oder was ist ein Muftoni? Google spuckt als Ergebnis nur Verweise auf diese Erzählung von 1982 aus. Also: Ein Muftoni ist ein winziges Männchen, das aus einem Weinfass klettert, in Kürze zu einem ausgewachsenen Mann heranwächst, unbekümmert und ausschweifend lebt und ein richtig, richtig toller Hecht ist.
 
Skurril und höchst fantasievoll, was der Autor und Zeichner Christoph Meckel da zusammenfabuliert und selbst illustriert hat. Er erzählt die Geschichte aus Sicht von Susanne, die der Unfalltod ihres Bruders krank gemacht hat. Susanne fährt aufs Land und findet in einem Gasthof zwischen Weinbergterrassen und Kartoffelsuppe erst die Freude wieder. Dann hört sie Rufe aus einem Weinfass im Keller: Susanne, Susanne!
 
Dem Fass entsteigt der Muftoni, als winziges, "dreikäsehohes" Männlein: Es ist ihr von den toten auferstandener Bruder, aber es ist auch ihr Petit Matin, der Einzigartige, Liebhaber, Ganove, Geschäftemacher, Lebemann. Die beiden reisen, faulenzen, schwelgen, lieben sich, haben kurzzeitig eine Zauberhose zur Verfügung, machen Geld und verschwenden es. Petit Matin erzählt, wie es das Reich der Toten ist: eine Mischung aus Sahara und Eispalast, der Boden ist glatt wie zum Schlittschuhlaufen, "es ist der unmögliche Raum". Das einzig Erträgliche in diesem bedrückenden Raum ist das Spielcasino - wohl dem, der jung starb und deshalb Geld bekommen hat.
 
Petit Matin ist diesem Reich der Toten entkommen. Muss er am Ende der aberwitzigen Reise wieder zurück dorthin? Die Erzählung lässt es offen. Gesagt wird nur, dass der Muftoni wieder zu schrumpfen beginnt, klein wird wie ein Finger und ihn die traurige Susanne auf sein Bitten hin in eine Weinflasche steckt und als Flaschenpost ins Meer wirft. Wer weiß?
 
Das Buch entstand in einer Zeit, als noch kühner im freien Raum Geschichten gesponnen wurden, vieles möglich, wenig peinlich war. Wahrscheinlich war es aber schon damals aus der Zeit gefallen. Heute ist es das noch viel mehr. Deshalb ein kleiner Schatz.

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