Sonntag, 4. Dezember 2011

Umberto Eco: Der Friedhof in Prag

Eco hat wieder einen Roman gebastelt und der beginnt stark: Mit einem bitterbösen Feuerwerk von Vorurteilen über alle nur erdenklichen Nationalitäten und Religionen. Hier - und auch an machen späteren Stellen im Buch - ertappe ich mich als Leser beim Gedanken: "Ein wahrer Kern ist doch dran..." Wer den Leser so manipulieren kann, macht ganz viel richtig.

Dann aber, leider: Es plätschert so dahin – wenn auch unterhaltsam und geistreich -, es hat keinen Höhepunkt und keinen Wendepunkt. Alles schon mal gelesen. Der Erinnerungs- und Identitätsverlust bei Königin Loana, die Verschwörungstheorie im Foucaultschen Pendel. Nur, dass es diesmal eben die Protokolle der Weisen von Zion sind, die sich später als die verhängnisvollste aller Verschwörungstheorien der Weltgeschichte entpuppten.

Spannend ist es allemal, was Umberto Eco zusammengetragen hat in den Büchern zu Freimaurerei, Okkultismus, Magie, Magnetismus, Mesmerismus, die er in den Antiquariaten der ganzen Welt aufgestöbert hat. Aber er fügt es eben nicht zu einem dramatischen, packenden Ganzen zusammen.

Ecos Listenhuberei und Aufzählerei grenzt manchmal schon an Belanglosigkeit. Es wurde ja in den Achtzigerjahren vermutet, dass Umberto Eco keine Einzelperson, sondern ein Autorenkollektiv sei – zumindest glaube ich mich an eine enstprechende Fernsehsendung zu erinnern. Nun, so ist es jetzt doch sehr passend, dass Wikipedia Eco Konkurrenz macht und ihn – als wirklich großes Kollektiv – naturgemäß überflügelt. Wikipedia ist umfangreicher und geht mehr in die Tiefe. Dort gilt außerdem der Zwang, sich kurz zu halten und nicht abzuschweifen. Eco hat niemanden, keine Admins, keine Sichter, keine Löschdisk, der ihm diesen Zwang auferlegt.

Würde er stattdessen doch nur erzählen! Er kann es ja! Aber so verzettelt er sich. Schade.

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