Samstag, 9. Februar 2019

Gesellschaft der Bibliophilen: Bibliophile Novellen

Dass ein Buch so viel mehr ist als der Text, den es transportiert, zeigt dieser Band auf eindrucksvolle Weise - und zwar mehrfach.

Gedruckt wurde dieser Erzählungen-Sammelband 1934. Ein kurzes Nachwort gibt Aufschluss über den Zweck und die Entstehung: "Geleitet von dem Wunsch, das Erlebnis durch das Buch, das Schicksal des Buches oder des Sammlers, kurzum das Leben mit Büchern gestaltet zu sehen, hatte die Gesellschaft der Bibliophilen alle Autoren deutscher Zunge zur Teilnahme an einem Preisausschreiben aufgefordert."

Bevor ich auf den Inhalt eingehe, verdienen die Aufmachung und Gestaltung, die dieses Werk zu einer Kostbarkeit machen, erwähnt zu werden. Hier reicht es, aus dem Kolophon zu zitieren:

"Handpressendruck der Officina Serpentis von E. W. Tieffenbach, Berlin-Steglitz, in erstmaliger Verwendung der von der Bauerschen Gießerei in Frankfurt am Main günstigst zur Verfügung gestellten ELISABETH-ANTIQUA. Initialen und Einbandzeichnung: Else Marcks, Berlin-Wilmersdorf. Holzschnitt: Oskar Bangemann, Berlin Mariendorf Einband: Otto Herfurth, Berlin-Charlottenburg. Papier: Zerkall-Bütten von Renker und Söhne. Zerkall, Rheinland."

Offenbar kamen bei dem Preisausschreiben zwar Beiträge zusammen, das Preisgeld wurde schließlich dennoch nicht vergeben. Im Nachwort heißt es: "Einig ist der Vorstand mit dem Preisgericht darin, daß weder das Preisausschreiben noch diese Sammlung den Bücherfreunden d i e bibliophile Novelle geschenkt hat, welche dem deutschen Schrifttum noch fehlt."
Stattdessen sind hier ausgewählte bibliophile Erzählungen aus dem Wettbewerb gemeinsam mit anderen - von Mitgliedern der Gesellschaft der Bibliophilen selbst und weiteren Autoren verfassten - Geschichten  abgedruckt. Die meisten lesen sich eher dröge. Es scheint vor allem darum zu gehen, Begriffe aus der Welt der Bibliophilen, der Sammler, Buchbinder, Drucker, Auktionen und Antiquariate fallen lassen, ohne daraus besonders einnehmende Handlungen zu stricken.

Sehr schön lesen sich allerdings zwei der Erzählungen. In Bibliofons von Otto F. Babler hält
ein verbitterter Antiquar Büchersammler zum Narren, in dem er fantastische Kataloge mit sagenhaften Büchern druckt, die er in Wahrheit gar nicht besitzt.

Peter Bolts Erlebnis erzählt von einem besonderen Buch - einer Leibniz-Erstausgabe, die  Randbemerkungen von drei verschiedenen Lesern enthält. Offenbar lebten sie in drei verschiedenen Jahrhunderten und  kommunizierten doch auf merkwürdige Weise miteinander. Dir Erzählung, die das Zeug zum Roman hätte, hört leider an der Stelle auf, wo sie spannend wird. In unserer Zeit hat ein Buchprojekt wie Ship of Theseus den gleichen Grundgedanken  gekonnt aufgegriffen.

Interessant macht dieses Buch außerdem ein Text, den es gar nicht enthält: Biblioanthropen von Salomo Friedländer (1871-1946), genannt Mynona. Im Nachwort heißt es, die Erzähleung sei zwar ausgewählt, dann aber doch wieder aus der Sammlung entfernt worden. Mynona habe "ohne Wissen und Billigung des Preisgerichts" Zusätze eingefügt, die das Ansehen der Herausgeber und der Gesellschaft der Bibliophilen schaden könnten. In Wahrheit hatte der  jüdische Philosoph, Literaturkritiker und Autor offenbar in einer Passage den Rassenwahn der Nazis kritsiert.  Die Herausgeber verlangten von ihm, diese und andere politisch kritische Stellen zu kürzen. Er widersetzte sich. Es folgten ein längerer Streit und dann die Machtergreifung der Nazis, die Mynona  nach Paris emigriert ließen. Dir Geschichte erschien später unter dem Titel Der antibabylonische Turm.

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