Mittwoch, 3. Dezember 2014

Erich Kästner: Drei Männer im Schnee

Ein Lesetipp für Sonntagnachmittage im Winter, wenn's draußen ungemütlich ist, zum Mitnehmen auf die Skihütte oder zu mehrtägigen Verwandtenbesuchen zwischen den Jahren: Eine unterhaltsame Wintergeschichte mit Verwechslung, Romanze und aberwitzigen Dialogen.

Kästner, der unter den Nazis nicht veröffentlichen durfte, brachte den Stoff 1934 in Deutschland als Stück unter dem Pseudonym Robert Neuner und mit dem Titel „Das lebenslängliche Kind“ heraus. "Drei Männer im Schnee" heißt die Prosafassung, die zuerst in Zürich erschien.

Der steinreiche Geheimrat Tobler nimmt an einem Reklamespruch-Wettbewerb seines eigenen Unternehmens, der Putzblank-Werke, teil und gewinnt prompt den zweiten Preis: einen Aufenthalt im piekfeinen Grandhotel zu Bruckbeuren in den Alpen. Erstplatzierter ist der glück- und arbeitslose Reklamefachmann Dr. Fritz Hagedorn. Tobler tritt ärmlich gekleidet und inkognito die Reise an. Leider sickert bei der  Hotelleitung und bald auch den anderen Gäste durch, dass ein verkleideter Millionär im Anmarsch ist. Als könnte es gar nicht anders sein, hält man im Hotel den armen Schlucker Hagedorn für den Millionär, Tobler für den Hungerleider.

Mehr unverhoffte Wendungen gibt die Handlung nicht her - Kapriolen schlägt sie nicht gerade. Umwerfend aber sind die verschrobenen Figuren, die Skilehrer, Portiers, Gattinnen, Emporkömmlinge, Liftboys, Bediensteten, Liederjane, Platzhirsche und Pomadenhengste, der staubtrockene Humor, die launigen Dialoge, die witzigen Details. An der Hotelbar turtelt ein sächsisches Liebespaar und der Barkeeper muss, um nicht laut loszulachen, ohne Sinn und Verstand im Eiskasten herumhacken. Der Millionär läuft Schlittschuh, denkt dabei an seine Jugend und streckt sich prompt auf dem Eis lang. Die barsche Haushälterin Frau Kunkel schlägt über die Stränge und lässt sich hinterher erzählen, wen sie während der Zeit ihres Filmrisses alles zum Tanzen aufgefordert hat.

Etwas im satirischen Stil so Gelungenes konnte man in deutscher Sprache erst zig Jahre später, zum Beispiel von Robert Gernhardt, wieder lesen. Wenn man überlegt, was seit Kästner für unsäglicher Schrott geschrieben wurde und immer noch fabriziert wird, ist dieses Buch unbedingt zu empfehlen. Hier ist keine Minute Lesezeit verschenkt.

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