Über mich selbst heißt ein Werk des französischen Schriftstellers und Philosophen Roland Barthes (1915-1980). Jenes hat Hanns-Josef Ortheil als Vorbild für Was ich liebe und was nicht. Der Titel sagt eigentlich schon alles. Zusätztlich, so der Autor im Vorwort, soll das Kompendium den Leser anregen, über sich selbst nachzudenken. Funktioniert.
Ortheil ist in sich gegangen und hat im Tagebuch-Stil alles notiert. Der Leser findet in diesem rund 260-seitigen Band Nachdenkereien, Schnipsel, Dialoge, haiku-artige Gedichte, die Ortheil in seiner Kindheit verfasst hat, Listen, nie abgeschickte Briefe - etwa einen Verehrerbrief an die Pianistin Hélène Grimaud oder eine flammende Liebeserklärung an die ZDF-Börsenreporterin Sina Mainitz, an der Ortheil "etwas freundlich Hessisches, eine nicht zu übersehende Goethe-Essenz" preist.
Der Autor, Feuilletonist und Pianist Ortheil sinniert über über "sein Stück Land", das kein eingezäunter, enger Garten, sondern ein kleines Anwesen sei:
"Das Gras, die Bäume, die Sträucher und die mitten auf diesem Stück Land stehenden alten Gartenhäuser aus Holz kommen mir oft so vor, als wären sie ein fremdes, fernes, Territorium. Sie scheinen nicht zu einer bestimmten deutschen Region, sondern zu weiteren, vielleicht sogar globalen Zusammenhängen zu gehören."
Er liebt Zugfahren und schwärmt von "Epiphanien der Stille" in voll besetzten Zügen. Er beschreibt das Hochgefühl, über die Wolken in die Sonne zu fliegen. Er erklärt, warum er Japan liebt, obwohl er noch nie dort war und wohl nicht hinfliegen wird. Es schreibt vom "altjapanischen" Schauen, das sich auf die geschauten Bilder legt und sie langsam ins Nervensystem des Betrachtershinüberwandern lässt (eine Anspielung auf Barthes).
Ortheil, so wird im angenehmer Plauderton ironisch und selbstironisch deutlich, ist größtenteils hochzufrieden mit seinem Leben, seinen Ritualen, zu denen bewusstes Radio hören (übrigens auch eine meiner Leidenschaften) gehört. Ebenso wie gutes Essen - mit Freunden oder auch alleine und mit Buch. Der Faszination von Essen, Trinken, Genießen widmet Ortheil seine ganze Faszination und Hingabe.
Und er breitet seine Visionen aus - von der völlig umgekrempelten, zeitgemäßen Opernaufführung (große Opern nur noch im Freien) und der idealen Gartenwirtschaft über den Hängen von Stuttgart.
Was der Autor nicht mag, darf nicht fehlen: Wörter wie Herangehensweise, zeitnah, Preis-Leistungs-Verhältnis beispielsweise. Manchmal ist das liebenswert versnobt. Mitunter geriert sich der Herr auch etwas nörglerisch und weinerlich, wenn er die Frühstücksgäste im Hotel und Hintergrundmusik im Restaurant sowie - mehrmals - Menschen, die krachend in Äpfel beißen, kritisiert.
Aber das ist auch schon alles. Wir müssen uns Hanns-Josef Ortheil als einen glücklichen Menschen vostellen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen