Ein schöner Flohmarktfund: "Das Urwaldschiff - Ein Buch vom Amazonenstrom" von Richard Arnold Bermann aus dem Jahr 1927. Das ist ein wunderschöner Reiseroman über Wegfahren, Ankommen, Unterwegssein, Fernweh und alles, was das besondere Gefühl des Reisens ausmacht.
Begleitet wird eine Reisegesellschaft auf dem Dampfer "Hildebrandt", der den Amazonas von der Mündung her befahren soll. Die meisten Reisenden sind reiseerfahrene und abgebrühte Engländer. Aus dem Rahmen fällt der pensionierte Realschullehrer Bernhard Schwarz aus Böhmen alleine schon durch seine lächerliche Aufmachung: Auf dem mondänen Dampfer trägt er Tropenhelm und Khakianzug.
Für Schwarz ist diese Reise alles. Nach einem Leben voller Niederlagen erfüllt er sich den lebenslangen, einzigen Wunsch, den Amazonas und seine Urwälder zu erkunden. Es bricht über ihn wie eine Katastrophe herein, dass politische Unruhen den Dampfer schon im Mündungsdelta an der Weiterfahrt hindern. Während einer Sightseeing-Rundfahrt in der Küstenstadt Parà schert er aus der Reisegesellschaft aus und durchstreift auf eigene Faust ein Stückchen Urwald, das sich gleich hinter den städtischen Wasserwerken erstreckt.
Alleine diese unbeholfene Stippvisite genügt dem Autor, eine - im blumigen Stil der Zwanzigerjahre - bildgewaltiges Dschungelpanorama zu schaffen: "rechts und links war die unwahrscheinlich tiefgrüne Waldkulisse, eine grandiose, geschlossene, einige Masse und doch von einer kaleidoskopischen Vielfähltigkeit sondergleichen: Wände aus Speeren geformt, Fächern, Platten, Seilen, groteskem Gitterwerk in tausend grünen und grauen und silbernen Nuancen. Das europäische Auge brauchte Zeit, bis es etwas von diesem Wald begriff: er war kein Wald, sondern eine Schlacht, nicht lyrisch zu genießen, wie die blonden Wälder der Heimat, sondern als ein krauses und grausames Epos, ein ungeheueres vegetabilisches Drama...."
Nach der überstürzten und verstörten Rückkehr ins Hotel, wird es für Schwarz immer mehr zur Gewissheit: Er wird die erträumte, geheimnisvolle Welt nie betreten. Um ihn zu trösten, erzählen die Reisegefährten Schwarz die Geschichte vom Konquistador und Amazonas-Entdecker Francisco de Orellana und seiner verhängnisvollen Suche nach dem Goldland.
Dieser zweite Teil des Buches fällt, wenngleich immer noch sehr poetisch erzählt, etwas ab - zu vorhersehbar und langatmig ist diese Abenteuergeschichte. Ausnahmen sind fantastische Beschreibungen eines Totentempels der Inka und Orellanas Begegnung mit der geheimnisvollen Amazone Coniapuyara.
Ob Schwarz diese mystische Welt letztlich doch betritt, bleibt offen. Der Leser darf sie in jedem Fall betreten. Dieses Buch schließt sie auf - vielleicht besser, als eine wirkliche Reise das vermochte. Von Marcel Reich-Ranicki soll es ein Zitat geben, von dem ich gehört habe, es aber nirgendwo fand: "Ich habe kein Interesse, die Niagara-Fälle zu sehen, aber ein gutes Buch über sie lesen, das will ich."
Ein echter Buchschatz, wozu auch die fabelhaften Aquarell-Illustrationen von Franz Heckendorf beitragen.
Montag, 16. April 2012
Samstag, 7. April 2012
Hermann Hesse: Magie des Buches
Dreitausend Buchkritiken hat Hermann Hesse veröffentlicht – das werde ich wohl nicht mehr schaffen. Aber ich lasse mich nicht entmutigen und nehme mir den Suhrkamp-Band „Magie des Buches“ vor. Es enthält Essays zum Thema Buch, Lesen und Literaur, die Hesse über die Jahre publiziert hat.
Ich gebe zu: Es ist für mich immer noch ein Genuss, macht mich glücklich und gibt mir das Gefühl, an Weisheit zu gewinnen, wenn ich Hesse lese. „Zu diesem Gebiete, wo ich vor Enttäuschungen ebenso sicher bin wie vor Sensationen, kehre ich von allen Ausflügen ins Älteste und Fernste immer wieder zurück“: Was Hesse in seinem Text „Lieblingslektüre“ (1945) über die deutsche Literatur von 1750 bis 1850 schreibt, kann ich für mich auf die Werke Hesses anwenden. Mit der Ausnahme, dass Sensationen bei diesem Autoren, der gerne als kindisch, kitschig und neoromantisch (als sei dies ein Schimpfwort) geschmäht wird, durchaus drin sind. Etwa, wenn er Worte findet, um die glasklaren Lehren der östlichen Philosophie in den abenteuerlich zerklüfteten Landschaften der Romantik blühen zu lassen.
Auch die in diesem Band zusammengefassten Betrachtungen sind gleichzeitig ein „Zen in der Kunst des Bücherlesens“ und eine energiegeladene Hymne an das große Gefühl und die schöne Sprache. Was gut ist, kommt von innen: Das gilt auch für Gedichte (Essay von 1918), die „Träume oder Tanzschritte oder Schreie einer Seele, Reaktionen auf Erlebnisse gestammelte Wunschbilder oder Zauberformeln, Gebärde eines Weisen oder Grimasse eines Irren“ sein müssen, und eben nicht „gewollte Erzeugnisse, Fabrikate, Pralinés für das Publikum.“
Ich gebe zu: Es ist für mich immer noch ein Genuss, macht mich glücklich und gibt mir das Gefühl, an Weisheit zu gewinnen, wenn ich Hesse lese. „Zu diesem Gebiete, wo ich vor Enttäuschungen ebenso sicher bin wie vor Sensationen, kehre ich von allen Ausflügen ins Älteste und Fernste immer wieder zurück“: Was Hesse in seinem Text „Lieblingslektüre“ (1945) über die deutsche Literatur von 1750 bis 1850 schreibt, kann ich für mich auf die Werke Hesses anwenden. Mit der Ausnahme, dass Sensationen bei diesem Autoren, der gerne als kindisch, kitschig und neoromantisch (als sei dies ein Schimpfwort) geschmäht wird, durchaus drin sind. Etwa, wenn er Worte findet, um die glasklaren Lehren der östlichen Philosophie in den abenteuerlich zerklüfteten Landschaften der Romantik blühen zu lassen.
Auch die in diesem Band zusammengefassten Betrachtungen sind gleichzeitig ein „Zen in der Kunst des Bücherlesens“ und eine energiegeladene Hymne an das große Gefühl und die schöne Sprache. Was gut ist, kommt von innen: Das gilt auch für Gedichte (Essay von 1918), die „Träume oder Tanzschritte oder Schreie einer Seele, Reaktionen auf Erlebnisse gestammelte Wunschbilder oder Zauberformeln, Gebärde eines Weisen oder Grimasse eines Irren“ sein müssen, und eben nicht „gewollte Erzeugnisse, Fabrikate, Pralinés für das Publikum.“
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