Ich mag Bücher, in denen ein Buch die Hauptfigur ist. Das Buch ist und bleibt ein faszinierendes Medium, auch wenn gestern ein recht kluger Mann in der SWR2-Sendung "Schluss mit Gekritzel" prophezeite, dass das Lesen und Schreiben als Kulturtechniken bald aussterben werden, weil sie nicht mehr nötig sind. Die Funktion, wichtige Informationen aus ihnen zu erhalten, erfüllen Bücher jedenfalls seit einigen Jahren nicht mehr exklusiv - bald werden sie auf diesem Gebiet nur noch eine winzige Nebenrolle spielen.
Dennoch: Es gibt nichts Faszinierenderes als Bücher, die die Information, die sie bergen, nicht gleich preisgeben, weil sie verrätselt und verschlüsselt sind. Zwei solche Bücher, die wirklich existieren, sind das Voynich-Manuskript und die Hypnerotomachia Poliphili. Bei beiden liegt der Verdacht nahe, dass sie eine Art Spielerei sind und gar keinen tieferen Sinn verbergen, aber alleine, dass die Möglichkeit einer geheimen Botschaft besteht, ist doch schon großartig.
Hier soll es um zwei Romane gehen, die sich um die Enträtselung der beiden Geheimnis-Werke drehen. Im Falle des Voynich-Manuskriptes ist das Michael Cordys "Genesis-Verschwörung" (2008), bei der Hypnerotomachia "Das letzte Geheimnis" (2004) von Ian Caldwell und Dustin Thomason. Vorweg: Beides keine Meisterstücke, wobei man Caldwell und Thomason fast Unrecht tut, wenn man sie mit dem hanebüchenen Unfug, den Cordy fabriziert hat, in einen Topf wirft: Da wird das Voynich-Manuskript ruckzuck identifiziert, es beschreibt den Weg zu einem energiereichen Garten Eden mit Gesundbrunnen, wohin die Helden sogleich reisen, aber von einer Truppe der Jesuiten (die es natürlich nicht leiden können, wenn es einen wirklichen Garten Eden gibt) sabotiert werden. Puff, am Schluss fliegt der Garten Eden in die Luft und das Problem ist aus der Welt.
So ähnlich endet ja auch "Das letzte Geheimnis". Das heißt: Nicht ganz. Die Autoren lassen noch eine Hintertür offen. Zwar verbrennt auch hier alles - sogar der menschliche Protagonist mitsamt seiner Entschlüsselung des Buches. Aber es könnte auch alles ganz anders sein...
Minuspunkt von "Das letzte Geheimnis": Es ist ein Campusroman. Wenn ich das vorher geahnt hätte, hätte ich das Buch nicht zu lesen angefangen. Die endlosen Passagen über das Leben in der Princeton-University sind, naja, ich sag mal: weniger witzig. Jeder Autor erzählt eben aus seiner Lebenswelt, und diese hier erzählen von der Uni. Und selbst das pubertierendst geschilderte US-College ist lebendiger als die dröge Lebenswelt von Leuten wie Martin Walser oder Fritz Raddatz. Trotzdem: Etwas weniger Ballast hätte das Ganze fesselnder gemacht.
Recht spannend ist dagegen der Kampf der Studenten um und gegen das Buch, das sie entschlüsseln möchten, geschildert. Ich liebe Bücher (und Filme), die ich nicht verstehe, deshalb kann ich die Lust an diesem Kampf nachvollziehen. "Meine Matratze war eine zerklüftete Bücherlandschaft", sagt der Student. Schön. Natürlich wird das Buch letzten Endes doch enträtselt und gibt erstaunlich viel Klartext preis, weist den Weg zu einer geheimen Bibliothek (herrlich) und löst einige Morde aus (muss ja).
Der Leser erfährt einiges über die Hypnerotomachia (wohingegen er bei Cordy über das Voynich-Manuskript kaum Infos erhält) - auch nicht schlecht, aber natürlich nicht notwendig, siehe oben. "Das ultimative Rätselbuch", wie die New York Times im Klappentext zitiert wird, ist es trotzdem nicht.
Donnerstag, 25. August 2011
Mittwoch, 10. August 2011
Nimmermehr
Sprach der Rabe: Nimmermehr, von William Hjortsberg. Natürlich hat mich hier der Titel angezogen. Aber - aua, aua - das Buch ist ärgerlich. Nicht, dass es grottenschlecht wäre. Ich habe es schließlich bis zum Ende durchgelesen. Aus grottenschlechten Büchern wie dem gleichzeitig begonnenen, selbstgefälligen "Ein deutscher Wandersommer" verabschiede ich mich nach wenigen Seiten.
Bei Hjortsberg (das Buch ist von 1994) geht es um den Magier Harry Houdini, den Autoren Sir Arthur Conan Coyle (für den dämlicherweise immer das Synonym "der Ritter" gebraucht wird) und eine Reihe von Morden, die im New York der Zwanzigerjahre nach dem Muster von Edgar-Allan-Poe-Krimis verübt werden.
Hjortsberg hat gut recherchiert, macht aber leider den Fehler, Wissen an unpassenden Stellen einzustreuen. Zwar nicht in dem horrenden Maße, wie es viele andere Krimiautoren tun. Dennoch: Wieso muss man überhaupt Wissen vermitteln in so einem Buch? Da geht es doch nur darum, zu zeigen, was für ein toll gebildeter Hecht der Autor ist. Was bei einem Krimi wie "Der Name der Rose" (1980!) noch anging, im Wikipedia-Zeitalter aber obsolet ist.
Auch Klischees werden in diesem Buch nicht überstrapaziert, einige Vergleiche sind sogar ganz nett: Ihre enge Samtrobe lag an ihrem Körper wie ein Wasserfilm und bildete zu ihren Füßen einen kleinen Teich." oder "Die alte Frau verschwand wie der Schatten einer Krähe, wenn sich eine Wolke vor die Sonne schiebt."
Ärgerlich ist aber - und das ist bei einem Krimi tödlich - die Handlung. Was reitet den Autor, kurz vor Schluss einen Mörder aus dem Hut zu zaubern, der bisher praktisch nicht in Erscheinung getreten ist? Der ein allzu offensichtliches Motiv hat und der zu allem Überfluss auch noch durch das Tagebuch in seinem Nachtschränkchen überführt wird, das Einträge enthält wie: "Ich erwürgte sie, und dann rannte ich und rannte und rannte, ich spürte ihr Gewicht kaum, sie lag schlaff in meinen schmächtigen Armen."
Abonnieren
Posts (Atom)