Donnerstag, 23. Dezember 2021

Tage des Lesens - Lektüre zwischen den Jahren 2021

Eine sehr schöne Auswahl kleiner Texte über die Freude am Lesen. Autorinnen und Autoren berichten, wie sie selbst die Liebe zum Lesen, zu den gedruckten Büchern und denn unermesslichen Schätzen, die in  Bibliotheken lagern, entdeckt haben.

Gleich der erste Text ist ein wunderbares Stück Prosa. In ruhigem, sinnlichen Tonfall berichtet Marcel Proust in Tage des Lesens von der Erfüllung, die ihm die Bücher an den hellen Sommertagen seiner Kindheit schenkten.

Thomas Bernhard wiederum lässt verlautbaren, stets nur wenige Seiten eines Buches zu lesen, die dann aber mehr als gründlich, um den großen Rest ungelesen umzublättern. Seiner Ansicht nach die ideale Art der Lektüre.

Ein Auszug aus Tintenherz, Cornelia Funkes Fantasy-Hommage an das Lesen, ein winziger Text Elke Heidenreichs über einen lesesüchtigen Taxifahrer…. In diesem Bändchen gibt es in der gemütlichen Lesezeit zwischen den Jahren einiges zu entdecken.

Die Perlen des Bücherhorstes

 In eigener Sache…


Montag, 20. Dezember 2021

Walter Moers: Weihnachten auf der Lindwurmfeste

Eigentlich ein perfektes Anti-Weihnachtsbuch. Moers lässt hier den zamonischen Lindwurm und Großschriftsteller Hildegunst von Mythenmetz vom Leder ziehen. Unerträglich, dieses Weihnachten, pardon: dieses Hamoulimepp. So heißt das Fest, bei dem großen und kleinen Bewohner der Lindwurmfeste sentimental werden, sich albern benehmen, sich geradezu geisteskrank aufführen und das trotz aller Besonderheiten verblüffende Ähnlichkeit mit unserem Weihnachtsfest aufweist.

Mythenmetz findet daran so gut wie alles schrecklich. Zum Beispiel, dass Kindern verstörende Lügengeschichten aufgetischt werden, dass grässliche, langatmige Theaterstücke angesehen und ausgesessen werden müssen, dass für die Herstellung der unnötigen, bemalten Hamoulimepp-Bäume massive Felszinnen von der Lindwurmfeste abgebrochen werden. 

Einige gute Seiten kann aber selbst der anspruchsvolle Hildegunst dem Fest abgewinnen. Die Schlemmereien bis zum Umfallen etwa. Oder einen anderen Hamoulimepp-Brauch, den ich gerne auch übernehmen würde: den Bücher-Räumaus. Die Lindwürmer sortieren bei dieser Tauschbörse ihre Bibliotheken und stellen nicht mehr benötigten Lesestoff vor die Tür zur kostenlosen Mitnahme: „Man kann einen ganzen Tag die Lindwurmgasse entlang flanieren und in den Kisten stöbern…“

Illustriert ist das Buch (wie schon die Geschichte von Prinzessin Insomnia) von Lydia Rohde. Auf „taxonomischen Tafeln“ im Anhangteil des Buches kann der Leser Musikinstrumente der Lindwürmer, „Pflansekten“, beschriftete Lindwurmfeste-Schnecken und vieles mehr bewundern.

Dienstag, 14. Dezember 2021

Ferdinand von Schirach: Carl Tohrbergs Weihnachten

Wer nach tröstender Weihnachtslektüre sucht oder sie zum Fest verschenken will, liegt mit diesem Büchlein falsch. Es versammelt drei dunkelgraue Erzählungen, in denen Männer - jeder auf seine Art - an den Punkt gelangen, an denen sie es nicht mehr aushalten und andere Saiten aufziehen. 

Der dicke Bäcker, der sich in die Japanerin Sakura verliebt hat, beherrscht die Kunst des vollendeten Tortenmachens. Sich selbst beherrscht er nicht, als ihm ein fremder Mann Sakuras Tür öffnet.

Für Amtsrichter Seybold bricht die geordnete Welt, in der er sich ein Arbeitsleben lang eingenordet hat, mit dem Ruhestand plötzlich zusammen.

Tohrberg, Verehrer von Matisse, Cezanne und mathematisch inspirierter Renaissance-Malerei, lässt sich von seiner präpotenten, dünkelhaften Mutter in ein lebenslanges Gefängnis treiben. Zum Trigger werden ihm zwei Christbaumkugeln, in denen er sich am Weihnachtsfest gespiegelt sieht.

Etwas andere Weihnachtslektüre: sehr empfehlenswert!


Christoph Ransmayr: Der Fallmeister. Eine kurze Geschichte vom Töten

So richtig anfreunden konnte ich mich mit Christoph Ransmayrs Prosa noch nie. Er benutzt einfach zu viele Substantive. Damit raubt er den Texten die Lebendigkeit. In fast jedem zweiten Satz darf ein Wort mit -ung  bewundert werden. Kein pures Lesevergnügen. 

Der Erzähler ist ein Hydrotechniker, der in einer dystopischen Zukunftswelt - Europa ist in bizarre Kleinstaaten, Fürstentümer, Deichgrafentümer - zerfallen, seinem Vater, einem Schleusenwärter und mutmaßlichen Fünffachmörder nachspürt. Ist der stets vom der Vergangenheit besessene Vater wirklich in seinem weißen Fluss umgekommen oder lebt er noch? Am Ende klärt sich die Frage. Genauso wie jene, wer hier der Mörder ist.


Donnerstag, 2. Dezember 2021

Christian Guay-Poliquin: Das Gewicht von Schnee


„Der Schnee beherrscht alles. Er dominiert die Landschaft, erdrückt die Berge … Die Weite ist geschrumpft.“ 

Irgendwo in hintersten Kanada begräbt der Schnee eine Hütte immer mehr unter sich. Ein dauerhafter Stromausfall lähmt das ganze Land. Ein junger Mann, der nach einem Autounfall schwer verletzt hergebracht wurde und ein Älterer, der auf der Durchreise hier gestrandet ist, versuchen hier, den Winter zu überleben. Die Essensvorräte schwinden nach und nach - und an ein Fortkommen ist nicht zu denken. Oder doch?

Atmosphärisch, bedrückend, energiegeladen - auch wenn der allgegenwärtige Schnee betäubend über allem liegt. Ein wirklich eiskalter Winterroman, der den Budenzauber perfekt macht, wenn man ihn im gut beheizten, gemütlichen Zuhause liest.