Drei Handlungen auf drei Zeitebenen verweben sich zu einer. Was die Langsamkeit, das gemächliche, detailversessene Erzählen angeht, ist Yann Marteil ein würdiger Erbe Adalbert Stifters. Langatmiger, fließender geht es kaum. Ob es um die technischen Finessen der damals brandneuen Erfindung Automobil geht, ob die Arbeit eines Pathologin beim Sezieren eine Leiche minutiös beschrieben wird, ob die Zustände in einem Primatenforschungszentrum genauestens geschildert sind. Martels Erzählstil ist geradezu fotografisch genau.
Und es lohnt, sich als Leser durch diesen Brei zu fressen. Wie bei Life of Pi erweist sich das scheinbar Redundante am Ende als fabelhaft durchkomponiertes Ganzes.
Nicht nur die Rolle der Tiere erinnert an Martels großen Roman, der auf deutsch unter dem Titel Schiffbruch mit Tiger erschien. Wie dieser ist Die hohen Berge Portugals eine Hommage an die Macht der Geschichten und des Erzählens. An einer Stelle erklärt eine Frau ihrem Mann den christlichen Glauben: „Jesus erzählte Geschichten und lebte durch Geschichten. Unser Glaube ist der Glaube an seine Geschichte, und das ist, könnte man sagen, das ganze Geheimnis.“
In Kriminalromanen seien die Geschichten der Opfer erzählt, während die Täter bald wieder vergessen seien, sagt die Frau. So auch im Leben. Hier, in dieser größtenteils himmelschreiend traurigen Handlung, sind fast alle Hauptfiguren Opfer. Und immer wieder gehen diese Menschen rückwärts. Und zwar im wörtlichen Sinn.
Es wird Leser geben, die mit diesem Buch wenig bis gar nichts anfangen können. Und solche wie mich, die ein solch faszinierender Roman wieder daran erinnert, dass das Lesen von Büchern und Geschichten zu den grandiosen Dingen im Leben gehört.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen