Adolf Boko Winterstein, zum Zeitpunkt der Interviews Mitte 70, erzählt von seiner Kindheit und Jugend In Landau in der Pfalz und auf der Reise.
Winterstein berichtet vom geliebten Großvater, einem leidenschaftlichen Musiker mit großem Herz. Erschütternd die Episode, als der Mann, der seine Frau und mehrere Kinder bei einem Brand im Wohnwagen verloren hat, später selbst Opfer eines Wohnwagenbrandes wird. Es ist ausschließlich Winterstein im O-Ton zu lesen, und es wird deutlich, was für eine Wirkmächtigkeit das hat, wenn nicht außen stehende Autoren wie beispielsweise hier meinen, ständig hineininterpretieren und erklären zu müssen.
Renner ließ auch typische Dialekt-Wendungen, die Wintersteins Reden charakterisieren - "denk emol sowas" - stehen. So erzählt Adolf Boko Winterstein, wie sich die bitterarme Familie durchschlug, wie er oft genug im Freien unter dem Pferdekarren schlafen musste, wie sie mit ständig der Polizei in Konflikt waren und das Misstrauen und die Feindseligkeit der Gadsche spürten.
Winterstein erweist sich als ein gewitzter Erzähler und guter Unterhalter. Wie bei einem solchen üblich, weiß der Leser manchmal nicht, was er auf die Goldwaage legen kann und was ausgeschmückt ist (und letztlich ist das ja auch unwichtig).
Da gab es einen schlechten Lehrer in Durlach, der Adolf verhauen hat. Der Vater kam zu Hilfe und schleuderte den Lehrer hinter das Pult. "Aber der hat nichts mehr gemacht, der Lehrer. Wenn Pause war, hat er mir einen Apfel gegeben oder ein Stück Brot. 'Komm her', hat er gerufen und ein Frühstück mir gegeben. Ja, der hatte eine Warnung bekommen."
Oder Wintersteins nächtliche Begegnung mit einem Unsichtbaren, der Spuren auf dem Kiesweg hinterlässt: "Man könnte das ja gar nicht glauben, aber ich hab es mitgemacht, bitte, ich hab's mitgemacht."
Später baute Winterstein eine Geige nach dem Modell eines italienschen Meisters: "Sie wurde extra in eine Maschine getan und wurde durchstrahlt, innen und außen." Alles Experten hätten sie für ein altes italienisches Original gehalten. Anekdoten, die so oder so ähnlich wohl schon oft erzählt worden sind.
Oft ist Winterstein in seinen Erzählungen auch entwaffnend ehrlich. "Ja, so ist das mit der Fischerei", sagt er einmal: "Fischen ist schön, aber man soll sich auch nicht erwischen lassen."
Die Nazi-Zeit überlebt Adolf Boko Winterstein, weil er 1937 in einer abenteuerlichen Aktion nach Frankreich flüchtet. Dort schlägt er sich durch, auch als Soldat, und gerät in Gefangenschaft. Aus einer alten Feldflasche baut er eine Geige, die bei Franzosen und Besatzern gleichermaßen zur Attraktion wird. Erst 1959 kommt er wieder in seine deutsche Heimat zurück, wo der Vater ausgehalten hat.
Winterstein berichtet auch von Verwandten, die nach Polen deportiert wurden und in den Vernichtungslagern der Nazis umkamen. In einem Anhang ist diese unfassbar systematische Grausamkeit mit Dokumenten belegt.
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