Der 17-jährige Franz Huchel kommt Ende der Dreißigerjahre vom Salzkammergut, wo er mit seiner Mutter gelebt hat, nach Wien. Er wird Gehilfe in Otto Trsnjeks Trafik. Mit der Tür zu dem Zeitungs- und Tabakladen öffnet sich für den Unbefangenen der Eingang zu einer ungekannten Welt. Er erfährt und erlebt die politischen Umwälzungen in der Großstadt, schließt eine schüchterne Freundschaft mit dem "Deppendoktor" Sigmund Freud und schlittert kopfüber in eine Liebesbeziehung mit Anezka, die Tänzerin in einem schmuddeligen Varieté ist. Aber die Zeiten sind schlecht und feindlich für einen Träumer wie Franz. Selbst seine Träume, die er auf Zettel schreibt und täglich ans Schaufenster der Trafik klebt, werden immer bedrückender.
Manche Autoren lassen eine Maschine kommen, mit der sie plötzlich das absolute, uneingeschränkt Böse in die Welt setzen können: die Nazi-Maschine. Bei Seethaler ist das anders: Diese Nazis brechen nicht von außen in eine heile Welt hinein, sie sind von nebenan, waren immer innen drin in dieser Stadt, die Franz so rätselhaft bleibt: "Bin ich verrückt geworden?", fragt er sich: "Oder ist die ganze Welt verrückt geworden?" Was gegen das Verrücktwerden helfen könnte, hat sich Franz beim Professor Freud abgeschaut, der die Menschen "von ihren ausgelatschten, aber gemütlichen Wegen" abdrängt, damit sie ihren steinigen Weg selbst suchen müssen.
In der Gestapo-Leitzentrale am Morzinplatz geht alles zu Ende. Dennoch dominiert in dieser Geschichte, die so leicht, poetisch und klar erzählt ist, nicht die bittere Anklage. Es sind die kleinen großen Momente, weise und humorvoll, die hängen bleiben. In einem ihrer Briefe schreibt die einsame Mutter an Franz: "Die Liebe kommt und geht, man kenn sich vorher nicht aus, und man kennt sich nachher nicht aus, und am allerwenigsten kennt man sich aus, wenn sie da ist. Und deswegen lass Dir eines sagen: Niemand taugt für die Liebe, und trotzdem oder gerade deswegen erwischt sie fast jeden von uns irgendwann einmal."
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