Der Schriftsteller Peter Aaron erzählt die Geschichte seines Kollegen Benjamin Sachs, von dem gleich zu Beginn berichtet wird, dass er sich im nördlichen Wisconsin am Straßenrand in die Luft gesprengt habe. Eine Geschichte, die zwangsläufig in dieser finalen Befreiungsaktion endet. Sachs befreit sich vom Schicksal, das ihm bestimmt scheint und den wahnwitzigen Zufällen, die ihn fernsteuern und gegen die er nicht anzukommen scheint: So wie kein Sterblicher gegen die launische Macht des Leviathan, des biblischen Seeungeheuers, ankommt.
Der Zufall - bzw. der Erzähler, der sich des Zufalls reichlich, aber gekonnt, bedient - will es so, dass Sachs am Unabhängigkeitstag 1986 von einer Feuerleiter in der Freiheitsstatue stürzt. Er wird aus heiterem Himmel in eine Schießerei verwickelt, findet eine Bowlingtasche randvoll mit Geldscheinen und überrascht daraufhin seine Frau mit einem anderen im Bett.
Während er immer tiefer in den Abgrund schlittert, gelangt er zur Erkenntnis: „Ich muss jetzt in die reale Welt hinaus und etwas tun.“ So nähert er sich zunächst der Frau des erschossenen Terroristen, tritt später in dessen Fußstapfen und setzt dessen explosives Werk fort.
„Kann ein Mensch mit einem Ich einschlafen und mit einem anderen aufwachen?“ Die Frage, ob man wirklich in jedem Moment seines Lebens neu beginnen kann, treibt Sachs - und auch Aaron - um.
Sachs' Antwort ist Ja. Er will "die Bruchstücke des Ich wieder zusammensetzen", ein Ganzes sein, einen Sinn im Leben finden - der für ihn darin besteht, Nachbildungen der Freiheitsstatue in die Luft zu sprengen. Endlich einmal tun, woran er glaubt. Und das heißt auch, endlich einmal an etwas zu glauben und zu wissen, was das ist.
Leider fehlt der Story die letzte Konsequenz. Sachs' Motivation bleibt seltsam unscharf. Was genau bedrückt ihn, was fehlt, wonach sehnt er sich, was ist das für eine Freiheit, die er meint - oder möchte das der Erzähler nicht aussprechen? Vielleicht steigt Aaron (nebenbei: Paul Austers alter ego) auch gar nicht dahinter, was Sachs bedrückt hat. Aaron hat im Leben den unspektakuläreren, weniger geradlinigen aber letztlich erfreulicheren Weg gewählt. Und dennoch beneidet er Sachs. So gibt in dieser vielschichtigen Handlung der Erzähler unbewusst eine Menge von sich selbst preis.
Paul Austers Leviathan ist ein Buch, das nahe geht, weil es nicht in unwahrscheinliche Lebenswelten abtaucht, sondern den Leser mit seiner eigenen Qual und Entsetzlichkeit konfrontiert.
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