"Filmen heißt Lügen."
Im Winter 1944 macht sich ein Filmteam der UFA auf in das oberbayerische Alpendorf Kastelau, um dort einen Durchhaltefilm zu drehen. Auch wenn das gesamte Aufnahmeteam bereits auf dem Weg Opfer eines alliierten Fliegerangriffs wird und dabei auch die komplette Filmausrüstung verloren geht, findet der Dreh statt: Die Schauspieler tun eben so, als würden sie im abgeschiedenen Alpenkaff einen richtigen Film machen - Hauptsache, weit weg vom Berliner Bombenhagel.
Als die US-Truppen dann immer näherrücken und die Kapitulation der Nazis unausweichlich ist, kommt Hauptdarsteller Walter Arnold auf die Idee, den Durchhalte-Schmierenkomödie zum Widerstandsfilm umfunktionieren, und ein Streit im Team beginnt, der tödlich endet. Für Walter Arnold ist die Episode in Kastelau der Auftakt zu einer beispiellosen Hollywood-Karriere.
Das Buch des Schweizers Charles Lewinsky, der als Drehbuchautor der TV-Sitkom "Fascht e Familie" bekannt wurde, liest sich unterhaltsam: Es gibt jede Menge Kinoluft zu schnuppern. Das Film-Set ist amüsant und detailreich beschrieben und auch die Verschachtelung in mehrere Rahmenhandlungen klappt. Die Collage aus fiktiven Wikipedia-Einträgen, Tagebuchnotizen, wissenschaftlichen Arbeiten, Interview-Mittschnitten, Drehbuchauszügen und Briefen fügt sich zusammen und ergibt mitunter den Eindruck, dass es einige der dargestellten Personen wirklich gegeben hätten: Sie sind alle frei erfunden.
Alles in allem hätten dem Buch hundert Seiten weniger nicht geschadet - zumal nach der starken Grundidee mit dem Dreh im hintersten Niemandsland wenige richtig gute Einfälle folgen. Vor allem sind die Figuren recht eindimensional geraten. "Deutsch und doof, das passt ohnehin am besten zusammen", lässt Lewinsky den UFA-Drehbuchautoren Werner Wagenknecht in sein Tagebuch schreiben. Und das sind fast alle der Figuren: doof. Der stiernackige Bilderbuch-Nazi Heckenbichler in der Lederhose, die karrieregeile Maria Maar, die herzensgute Wirtin und gescheiterte Schauspielerin Tiziana Adam mit ihrem arg begrenzten Wortschatz und natürlich der böse Schwule Walter Arnold. Dieses Figurenkabinett ist zu plakativ, um als Satire richtig zu zünden.
Mein Fazit: kein Meisterwerk, aber ein durchaus gelungener, gut recherchierter historischer Roman über glückliche Wendehälse, sture Pechvögel und professionelle Lügner, der UFA-Kino im Kopf erzeugt und deshalb das Lesen lohnt.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen