Dienstag, 18. November 2025

Christian Kracht: Air

Christian Krachts Romane mögen vieles sein, belanglos sind sie nicht. Air ist ein großer Gesang.

Dekorateur Paul lebt auf den Orkney-Inseln und reist für einen vielversprechenden Auftrag ins norwegische Stavanger: Im Auftrag eines Designmagazins soll er ein gigantisches Rechenzentrum in perfektem Weiß streichen lassen. Ästhetische Reduktion und Minimalismus sollen zum Extrem getrieben werden, in einer Zeit, da alles Wissen, alle Erinnerung nur noch in einer virtuellen Wolke existierten.

Dann kommt es zu einer außergewöhnlich intensiven Sonneneruption und die  Rahmenhandlung gleitet aus einer wie von Martin Suter erschaffenen Welt elegant hinüber in ein wunderschönes, grausames Eismärchen (das offenbar von Astrid Lindgrens "Die Brüder Löwenherz" inspiriert ist). Paul findet sich in einer Welt,, die „auf harmonische Weise flacher“, zweidimensionaler wird.

Gedanken dazu: Diese flache, aufgeräumte zweidimensionale Welt, in der nichts Schmutziges wuchert, ist wie die Musik von Johann Sebastian Bach. Und auch die gibt gerade durch ihre Kälte Trost. 

Und noch etwas: Kracht ist kein Schweizer, er ist ein zutiefst norddeutscher - oder auch nordischer - Schriftsteller. Das oberdeutsche, alemannische - nennt es meinetwegen rätische - Fühlen und Beschreiben ist ihm fremd. Mehr Hamsun als Robert Walser, aber zuvörderst etwas Eigenes, Christian Kracht der Jüngere.

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