Freitag, 24. März 2017

Navid Kermani: Ungläubiges Staunen über das Christentum

Der deutsch-iranische Autor Navid Kermani, Muslim, hat sich in dieser Essaysammlung von 2015 dem Christentum genähert. Er selbst beschreibt das Buch als "eine frei assoziierende Meditation - ein Staunen eben - über vierzig Bilder und Begriffe, Heilige und Rituale". Neugierig, ernsthaft, fasziniert, interessiert, kenntnisreich und mit großer Sympathie vertieft sich der Autor in Gemälde von El Greco, Botticelli, Caravaggio, Rembrandt und anderen, betrachtet Darstellungen von Jesus und Maria, biblischer Gestalten und der Heiligen, sieht sich in Rom, Köln und dem Kosovo um, um den Wesenskern des christlichen Denkens und Glaubens herauszukitzeln.

Er tut es auf eine sehr persönliche, poetische und mystische Art, versinkt gleichsam in den Bildnissen und seinen Betrachtungen. Immer wieder bezieht er dabei den Islam mit ein, vor allem identifiziert er sich in seiner Sichtweise mit den spirituell-mystisch orientierten Sufis, "die ihre Texte mit erotischen Signalen spickten" und Jesus als "Geliebten" verehren. Dem in seinem Augen unerotischen Protestantismus kann Kermani weniger bis nichts abgewinnen. Das Ganze ist kölsch-katholisch-gewitzt, sprachlich geschliffen, oft ironisch, teils auch sehr flapsig (aber immer originell). Aposteldarstellungen auf einer Monstranz werden mit Tippkick-Spielern verglichen, das Jesuskind als Rotzlöffel bezeichnet. Und wozu möchte Maria auf dem Bildnis Pietro Peruginos den heiligen Bernhard verführen? "Ja, bumsen, nichts anderes". Aber das klingt respektloser, als es ist. 

Unter den Persönlichkeiten, denen sich Kermani besonders verbunden fühlt, ist Franziskus von Assisi, der sich bereits um Verständigung mit dem Islam bemüht habe. Oder aber der italienische Jesuitenpater Paolo D'All Oglio, der ein syrisches Kloster wiederaufbaute, den Islam liebte und einen Dialog der Religionen praktizierte. Heute ist D'All Oglios Schicksal ungewiss, seitdem er im Juli 2013 vom IS gekidnappt wurde. 

 Schöner als in manchen seiner Texte kann man über christliche Religion nicht schreiben. Vor allem, weil Kermani erfasst, was der Wesenskern des Christentums ist: die Liebe. Liebe, die keinen Unterschied macht. 

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