Lesen Sie dieses Buch nicht auf dem Krankenbett. Ihr Zustand wird sich dadurch verschlechtern.
Lobhudeleien und Verrisse
Buchkritiken von Bernhard Hampp
Sonntag, 7. Dezember 2025
Clemens J. Setz: Indigo
Lesen Sie dieses Buch nicht auf dem Krankenbett. Ihr Zustand wird sich dadurch verschlechtern.
Sonntag, 30. November 2025
J. K. Rowling / J. Thorne: Harry Potter and the Cursed Child
Mit diesem Theaterstück haben Joanne K. Rowling und ihre Co-Autoren, John Tiffany und Jack Thorne 2016 eine gelungene kleine Fortsetzung der Harry-Potter-Saga geschaffen.
Harry-Potter-Geschichten sind per definitionem große Würfe. Diesmal drehen Rowling & Co am ganz großen Zeitreise-Rad. Harry Potters zweiter Sohn Albus Severus, der vom sprechenden Hut in das Slytherin-Haus einsortiert wird, freundet sich mit Draco Malfoys Sohn Scorpio an - und entfremdet sich von seinem Vater. Mithilfe einer Zeitmaschine, die sie an verschiedene Zeitpunkte der siebenbändigenHarry-Potter-Romangeschichte transportiert (allem voran das trimagische Turnier aus Band 4) möchten sie Unrecht, das Albus‘ Vater angerichtet hat, ausbügeln.
Natürlich verschlimmbessern sie es. Und natürlich schlägt in diesem Stück die Logik von Kategorien wie Vorher und Nachher, Ursache und Wirkung, Entscheidungen und Konsequenzen Purzelbäume. Deshalb liebe ich Zeitreisen auch so. Bislang gab es eine einzige davon im Harry-Potter-Band 3 (auch aus diesem Grund mein Lieblingsband). Nun wird das Thema Zeitreise im perfekten Theater-Stil ausgekostet, auf seinen philosophischen wie komödiantischen Gehalt abgeklopft. Wieder sprüht Rowling vor Ideen.
Allerdings habe ich das Stück nicht gesehen, nur das Skript zu lesen ist sicherlich das halbe Erlebnis. Was fehlt ist all das, was Theater über den reinen Text hinaus ausmacht - aber auch das, was ein Roman an Hintergründigem, Ungesagtem und Unsichtbarem vermitteln kann.
Dienstag, 25. November 2025
Stephen King: Das Leben und das Schreiben
Ich muss sagen: Gottseidank ist der autobiografische Teil recht kurz geraten, er interessiert mich einfach nicht. Ja, King liefert Bekenntnisse über seine überwundene Alkohol- und Drogensucht (für Kokain macht er leider sogar so etwas wie unfreiwillige Werbung: "Im Frühjahr und Sommer 1986 verfasste ich Das Monstrum, arbeitete oft bis Mitternacht mit einem Herzschlag von 130/min und Tamponaden in den Nasenlöchern um das vom Kokain hervorgerufene Bluten zu stillen.)
Ich denke trotzdem: Das ist ist eher etwas für ausgewiesene King-Fans, die wirklich alles über ihren Lieblingsautor erfahren möchten.
Aber auch die lieben ja sein Werk, nicht die Person. Und deshalb liest sich der größere Teil dieses Buches, der als eine Art Schreibschule daherkommt, viel spannender. Denn wenn King eines beherrscht, dann ist es: packend Schreiben.
Ein paar seiner Tipps:
- Nehmen Sie das erste Wort, das Ihnen einfällt, wenn es passt und anschaulich ist.
- Jeden Tag 10.000 Wörter schreiben.
- Sich die Frage "Was wäre, wenn" stellen
- Wichtiger als literarische Qualität ist eine fesselnde Geschichte, die zum Umblättern zwingt
- "Geschichten sind Überbleibsel, Teile einer noch unentdeckten, seit jeher bestehenden Welt."
- Figuren in eine missliche Lage versetzen und ihnen zusehen, wie sie sich zu befreien versuchen
- statt sich an seinen Beschreibungskünsten zu berauschen, sollte der Autor den Ball im Spiel halten
- Gute Vergleiche: "Es war dunkler als eine Wagenladung Arschlöcher" (George V. Higgins); "Ich zündete mir eine Zigarette an, die wie das Taschentuch eines Klempners schmeckte." (Raymond Chandler)
- Ein Dialog ist gut, wenn der Leser ein schlechtes Gewissen hat, weil er ihn heimlich belauscht
- Eine Geschichte ist gut, wenn sie organisch entsteht, sich natürlich aus der anfänglichen Situation ergibt
- Handlungen müssen aufrichtig und glaubwürdig sein, sonst fallen sie in sich zusammen
- Gute Prosa beginnt mit der Geschichte und entwickelt daraus die Thematik
- Kill your darlings, alles streichen, was langweilig ist
- Wer keine 10 Prozent streichen kann, hat sich nicht genügend angestrengt
- Recherche gehört so weit wie möglich in den Hintergrund - interessant sind die Figuren und ihre Geschichten
Sonntag, 23. November 2025
Richard Osman: Der Donnerstagsmordclub oder Ein Teufel stirbt immer zuletzt
Dienstag, 18. November 2025
Christian Kracht: Air
Dienstag, 28. Oktober 2025
Jerome D. Salinger: Der Fänger im Roggen
Manches ist gut. Und 1951 war das sicher eine große Nummer, dass einer so schrieb (wie Mark Twain schon 70 Jahre vor ihm). Aber was mich deprimiert, ist, dass der gute Salinger das ganze verdammte Buch erst geschrieben hat, als er 32 war. Warum schreibt er es dann aus der Sicht eines 16- oder 17-Jährigen? Er schreibt es auch nicht so, wie er es mit 17 geschrieben hätte, sondern so, wie es ein 32-Jähriger mit 17 gerne geschrieben hätte.
Es ist nämlich so: Mit 32 ist man nicht intelligenter als mit 17, sondern dümmer. Mit 32 weiß man vielleicht besser, was die Leute von einem hören wollen. Aber intelligenter ist man mit 17.Mittwoch, 22. Oktober 2025
Daniel Kehlmann: Geister in Princeton
Im Mittelpunkt steht der österreichische Mathematiker und Philosoph Kurt Gödel, der mit seinem Unvollständigkeitssatz die Logik revolutionierte. Schlaglichter fallen auf verschiedene Lebenssituationen, in denen Gödel selbst teils nur als Geist anwesend ist.
Im Lauf der Szenerie flüchtet der Gelehrte aus Wien vor den Nationalsozialisten – über die sowjetisch kontrollierte Mongolei – in die USA, lehrt schließlich an der Universität Princeton. Begegnungen mit anderen Genies, etwa John von Neumann und Albert Einstein, sind skizziert.
Ein herkömmliches Logikverständnis stößt beim Verfolgen dieses Hörspiels an seine Grenzen. Paranoia und eine von der Norm abweichende Vorstellung von Rationalität bestimmen zunehmend Gödels Denken. Immer wieder melden sich Geister zu Wort; Gödel kommuniziert mit ihnen und sieht sich von ihrer Präsenz umgeben. Paranoide Gedanken und Zwangsvorstellungen – etwa die panische Angst, vergiftet zu werden – durchziehen sein Fühlen.
Aufgehoben ist auch die Vorstellung von Zeit als einer Abfolge. Gedanken blitzen unvermittelt und jenseits jeglicher chronologischer Ordnung auf. Gleichzeitigkeit und sich wandelnde Abfolgen bestimmen die Wahrnehmung Gödels, der ja selbst die theoretische Möglichkeit von Zeitreisen bewiesen hat.






