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Mittwoch, 30. August 2017

Werner Bergengruen: E.T.A. Hoffmann

"...ich habe jetzt wirklich Wichtigeres zu lesen, als mich mit der doch etwas verstaubten Prosa Bergengruens noch einmal zu beschäftigen", schrieb Marcel Reich-Ranicki 2006 unnachahmlich in der FAZ. Verstaubt ist sie wirklich, die Sprache Bergengruens, andererseits ist eine Schriftsteller-Biographie, von einem anderen Schriftsteller verfasst, immer etwas Lesenswertes - weil sie den Blick auf gleich zwei Literaten erlaubt. Hinzu kommt mein besonderes Interesse an E.T.A. Hoffmann, das mich eigentlich alles lesen lässt, was vom oder über den großen Romantiker geschrieben wurde.

1939 hat der Balte Werner Bergengruen den 116 Jahre vor ihm in Königsberg geborenen Hoffmann porträtiert. Tatsächlich mutet seine Sprache verstaubt und behäbig an, aber auch schon wieder so sehr aus der Zeit gefallen, dass es den Leser in eine angenehm ferne, exotische Welt versetzt. "Der Oweh-Onkel war nicht ohne eine gewisse leblose Gutmütigkeit, vor allem aber ein beschränkter und hypochondrischer Pedant, dessen Lebenslauf sich nach dem Uhrenschlage richtete, und in die Mechanik dieses Ablaufs spannte er in wohlmeinender Unbarmherzigkeit auch den Neffen ein." So beschreibt Bergengruen Hoffmanns Onkel Otto.

Das Büchlein beleuchtet auf knapp 100 Seiten kurz und bündig die Lebensstationen Hoffmanns, als Student in Königsberg, Beamter in Polen, Kapellmeister in Bamberg, Musikdirektor in Leipzig und Dresden, schließlich Kammergerichtsrat in Berlin, die lebenslange Freundschaft zum biederen Theodor Hippel, die verrückte Liebe zu seiner 20 Jahre jüngeren Gesangsschülerin Julia Marc in Bamberg und die wahnsinnigen Nächte mit Ludwig Devrient im Weinhaus Lutter und Wegner.

Bergengruens Kunstgriff ist, dass er Hoffmann anhand von dessen Roman- und Novellenfiguren charakterisiert. Das ist sicher nicht ganz redlich, aber im Sinne einer literarischen Biografie durchaus unterhaltsam und anregend.

Bergengruen hält sich mit seinem eigenen Urteil über den von ihm verehrten Hoffmann und seine Literatur nicht zurück. Das ist, besonders, wo er ihn kritisiert, wert, zitiert zu werden, weil es Einblick auch auch in Bergengruens Denkwelt gibt:

"Gepackt von einem Einfall, beginnt er zu schreiben, ohne sich Gedanken zu machen, wie es weitergehen soll. Daher das Ungleichmäßige, das Nichtdurchkomponierte, das Fragmentarische gerade seiner herrlichsten Schöpfungen, daher die Schwäche der zweiten Teile, in denen ein meisterhaft geschürzter Knoten oft eine unfreudige und trockne Auflösung erfährt. (...) Von seinen Visionen gejagt, schreibt er schnell und flüchtig. (...) Oft unterlaufen ihm Ungeschicklichkeiten und Unwahrscheinlichkeiten; hiermit ist nicht das Außergewöhnliche, Übernatürliche, Spukige gemeint - denn dies ist bei Hoffmann immer wahrscheinlich! -, aber das Erzählerisch Unglaubwürdige oder das unzureichend Motivierte."



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