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Mittwoch, 3. August 2016

Doris Dörrie: Alles inklusive

Schon auf der zweiten Seite heißt es:

"Ich stand da, die Kälte schoss durch meine Fußsohlen bis hoch in meinen Bauch."

Und auf Seite 43:

"Apple lacht. Soll ich Ihnen was sagen? Ich hasse Prosecco. Ich dachte nur, dass man das in den Redaktionen von Frauenzeitschriften trinkt.
Richtig, grinst Susi. Diese Modekatzen schlabbern das Zeug die ganze Zeit. Und deshalb kann ich es nicht ausstehen."

Normalerweise bringen mich solche Floskeln dazu, einen Roman nach Seite 30 wegzulegen. Aber das hieße diesem Buch unrecht tun. Es ist nämlich ein Meisterwerk. Wer da nämlich so floskel- und klischeehaft denkt, das sind Dörries überzeichnete Figuren. Und die machen diesen Roman von 2011 aus, in dem es um Frauen (hauptsächlich), Männer (unter ihnen auch ein Hund), geplatzte Träume, Abhängigkeiten und die Suche nach Liebe geht.

Torremolinos in Südspanien, Siebzigerjahre: Hippeschönheit Ingrid vertickt am Strand barbusig selbstgemachten Schmuck, um sich mit ihrer Tochter Apple durchzuschlagen. Ihre Tochter Apple träumt von geordneten Leben, wie es der Bankangestellte Karl mit seinen gebügelten Hemden hat. Karl macht Urlaub mit seiner Frau und seinem Sohn Tim im eigenen Ferienhaus. Ingrid und Karl verlieben sich. Irgendwann treibt Karls Frau tot im Pool

Dreißig Jahre nach dem Selbstmord kreuzen sich die Wege der Figuren wieder. Tim ist eine Frau geworden, die einen Mann im Frauenkörper liebt. Apple hängt sich an Männer, um von ihnen bis zum Letzten ausgenutzt zu werden - was jene dankbar annehmen. Ihre Freundin Susi hofft, mit ihrem schwer kranken Mann glücklich zu werden, indem sie mit ihm nach Spanien auswandert. Er wird es: aber ohne sie. Immobilienmaklerin Angelita aus Bayern ist bereits vor Jahrzehnten nach Spanien gegangen - in die Arme eines Flamenco-Gitarristen - und hat dort die letzten Illusionen verloren.

Dörrie kann nicht nur sehr gut spanisch, sie zeigt auch wirklich profunde Kenntnis der deutsch/österreischisch/Schweizer Auswanderer-Community in ihren spanischen Residenten-Ghettos und Urbanisationen in all ihrer Abgeschlossenheit und Ausgestoßenheit. Genauso habe ich viele dieser Residenten erlebt: Wer vor sich selbst nach Spanien geflüchtet ist, wird mit einer geballte Ladung von sich selbst konfrontiert.

Dörrie erzählt das alles mit Leichtigkeit und humorvollen Übertreibungen. Schöne Sommerlektüre.

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