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Samstag, 16. Juli 2016

Wolfgang Schorlau: Die schützende Hand

Wer braucht dieses Buch? Ich nicht. Es ist weder ein spannender Krimi noch ein ernst zu nehmendes Sachbuch.

Darum geht's: Der ehemalige BKA-Mitarbeiter und jetzige Privatermittler Georg Dengler erhält von einer anonymen Person den Auftrag, die wahre Todesursache der NSU-Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt zu ermitteln. Er findet sie heraus, indem er nacheinander Leute befragt, von einer alten Liebe geheime BKA-Akten bekommt und sich heimlich einen Schlüssel für einen Geheimaktenschrank nimmt. Das Ergebnis: Mundlos und Bühnhardt haben nicht Selbstmord begangen, sondern sind exekutiert worden, wahrscheinlich vom Geheimdienst, der den ganzen NSU-Komplex mit seiner V-Mann-Szene zu verantworten hat. Auch die CIA hat ihre Finger im Spiel.

Erster Kritikpunkt: Die Spannung fehlt. Von Anfang an ist das Fazit klar, und Dengler findet immer mehr Indizien dafür, dass die offizielle These - dass Böhnhardt und Mundlos ihren Wohnwagen in Brand gesteckt haben und sich anschließend darin umbrachten - falsch ist. Am Ende sind es wohl drei oder vier solcher Indizien, die aber unendlich breit getreten werden. Das Buch besteht in langen Abschnitten aus Ermittlungsakten, Protokollen und Fußnoten. Mangelnde Recherche kann man Schorlau nicht vorwerfen. Aber ein Krimi ist das nicht. Zumal auch die Figuren unwahrscheinlich platt gezeichnet sind. Da sagt einer "Prostata" statt "Prost".

Das eigentlich Schlimme: Schorlau glaubt selbst an seine Verschwörungstheorien. Er, das schreibt der Autor im Nachwort und unterstrich es in zahlreichen Interviews, ist fest davon überzeugt, dass hier ein Staatsverbrechen vertuscht worden ist. "Es geht um die Suche nach Wahrheit", schreibt er. Ein hehres Ziel, an dem immerhin schon einige Untersuchungsausschüsse gescheitert sind. Aber vielleicht sind deren Mitglieder ja auch alle korrupt und vom Big Brother fernbestimmt.

Schorlau hat diese drei bis vier Ungereimtheiten gefunden, und auf denen lässt er seinen Dengler wieder und wieder herumtrampeln. Es ist gar nicht nötig, sich beim Lesen der einzelnen Protokollausschnitte anzustrengen, weil alles garantiert zigmal wiederholt wird.

Vielleicht hat Schorlau ja sogar Recht. Manche seiner "Enthüllungen" sind gar keine, weil die Sachverhalte offensichtlich sind: "Ein Ergebnis dieser Recherchen ist die auch für mich überraschende Erkenntnis, wie wenig souverän und wie sehr fremdbestimmt das Land ist, in dem ich lebe." (Nachwort). Deutschland ist nicht souverän, sondern wird von den USA gesteuert. Xavier Naidoo ist für eine solche Aussage zum Teufel gejagt worden.

Wenn schon Enthüllungen, dann bitte ein Sachbuch, das klar strukturiert ist und klar erkennen lässt, was Fiktion und was Ergebnis seriöser Recherche ist. Meinetwegen auch im Kopp-Verlag.

Das anstrengendste Buch, dass ich je geschrieben habe", nennt Schorlau "Die schützende Hand" in einem SWR-Interview. Es ist auch anstrengend, es zu lesen.

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