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Montag, 22. Oktober 2012

Wer war Ioan Culianu?

Man sollte meinen, die Antwort in Ted Antons dokumentarischen 350-Seiten-Roman „Der Mord an Professor Culianu: Rekonstruktion eines Verbrechens“ von 1996 (deutsch 1999) zu finden.

Die Zutaten, die das wirkliche Leben liefert, wären eigentlich perfekt: Ein rumänischer Religionswissenschaftler im Chicagoer Exil, der sich vor allem mit den zwielichtigen Aspekten des Religiösen wie Magie, Häretik, Gnosis, Okkultismus im Zeitalter der Renaissance beschäftigt, wird am 21. Mai 1991 – wahrscheinlich von Schergen der nach der Wende immer noch aktiven Securitate – erschossen. Culianu hatte sich kritisch mit den Erben Ceaucescus auseinandergesetzt. Der Mord an ihm ist bis heute nicht aufgeklärt worden.

Aber wie grottenschlecht hat Ted Anton diese Geschichte umgesetzt. Anton bekam zwei Stipendien, um die Lebensgeschichte Culianus nachzuerzählen. Er trägt alle Dokumente zusammen, die er irgendwie bekommen kann, führt offenbar recht oberflächliche Interviews mit Zeitzeugen und achtet penibel darauf, dass auch nicht die winzigste Kleinigkeit unveröffentlicht bleibt. Welche Vorträge Culianu hörte, was er zu Veröffentlichungen von Kollegen sagte – völlig aus dem Kontext – welche Restaurants er besuchte. Unter diesen ständigen Wiederholungen kann Anton das Wichtige nicht vom Unwichtigen unterscheiden.

Der Person Culianu kommt der Leser in keinem Moment näher. Weder was er fühlt, noch wie er denkt. Anton reimt sich lediglich verzichbare Gemeinplätze à la "er freute sich darauf" und "sie genossen die Zweisamkeit" zusammen. Auch das Gedankengebäude Culianus hat er ganz offenbar nicht verstanden. X-mal betet er herunter, dass Culianu Grenzen zwischen Magie und Realität als fließend betrachtet.  Er zitiert Culianus Ansicht,"dass der Geist Welten ersinnt und sie so real macht, dass sie tatsächlich real werden." Darüber kommt er nicht hinaus.


Auch über den Religionsphilosophen Mircea Eliade, der Culianos Vorbild und zeitweise auch dessen Mentor war, erfährt der Leser nur Oberflächliches:Der Mensch fühle sich in der modernen Welt verloren und träume vom "Mythos der ewigen Wiederkehr", habe Eliade geschrieben. Der Leser lernt nichts über die Magie der Renaissance, nichts über Culianus Lieblingsgelehrten Giordano Bruno, obwohl er viel darüber lesen muss.


Dieses ungelenke Zusammengestöpsel ohne jeden roten Faden nimmt jede Lust, sich mit weiter mit Culianu und seinen Büchern zu befassen. Oder vielleicht weckt es gerade diese Lust: Denn so blutleer, so teilnahmslos und langweilig wie diese Schilderungen kann ein Wissenschaftler, der sich mit offensichtlicher Leidenschaft Alchemie, Gnostikern, Manichäern widmete, der obendrein ein, wie es einmal beiläufig heißt, "koboldhaftes Gesicht" hatte, gar nicht sein.

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