Martin Suter, die Zweite (in diesem Blog). Diesmal ein Buch von 2002. Wie ist es möglich, dass ein Krimi so vollgestopft ist mit Klischees - ein gutaussehender Italiener, der obendrein Journalist und an einer "heißen Story" dran ist und durch eine Kopfverletzung einen totalen Gedächtnisverlust erleidet, böse Firmenbosse eines multinationalen Konzerns, die zu allen Mitteln greifen, um ihre unsauberen Machenschaften zu vertuschen, eine heißblütige Stripperin aus der Karibik, ein schmieriger Immobilienhai - und trotzdem so gut?
Es liegt daran, dass alles stimmt. Alles muss so sein, denkt sich der Leser, der mit dem Protagonisten Fabio in dessen ausgelöschter Vergangenheit stochert. Der sich mit ihm über den falschen Freund Lucas ärgert, der Fabio die Freundin ausspannt, noch während der im Koma liegt. Der sich über die vielen offenen Fragen am Ende freuen und die Geschichte selbst weiter spinnen darf.
Alles ist folgerichtig erzählt und der Knalleffekt am Ende vom Feinsten. Außerdem weiß Suter, wovon er redet, wenn er beschreibt, wie ein Journalist arbeitet. Das ist bei Romanautoren selten.
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Freitag, 15. Juni 2012
Sonntag, 10. Juni 2012
Das Buch der Grotesken
Eine Anthologie von fantastischen und satirischen Erzählungen aus dem Jahr 1914, die ich auf dem jährlichen Büchermarktplatz in Waiblingen - der übrigens immer einen Besuch wert ist - gefunden habe.
"Ein lustig-grausig-buntphantastisches Siebenundzwanziggeschichtenabenteueralbum, für Leute, die nicht schlafen gehen wollen", beschreibt der Herausgeber Felix Lorenz die wilde Sammlung, die von Lukian über die Geschichtenerzähler der Renaissance und die Schelmenromane um Lazarillo de Tormes, Schelmuffsky und Pantagruel, die Meister des Geisterhaften, E.T.A. Hoffmann ("Die Geschichte vom verlornen Spiegelbilde") und Edgar-Allan Poe ("Hopp-Frosch") bis hin zu damals zeitgenössischen Autoren wie Jakob Elias Poritzky und Victor Auburtin alles einsammelt, was unter grotesk zu verstehen ist.
Lorenz schreibt: "So kommt es, dass in den Bereich der Groteske das Grausig-Phantastische ebenso wie das Barock-Satirische und das schlechthin Burleske hineingehören - sie finden sich dort unter dem Zaubermantel eines überlegen spielenden Dichterwillens zusammen." So findet sich denn Mark Twain neben Paul Scheerbart, Christian Reuter neben Villiers de L'Isle-Adam.
Besondere Schätze sind H. G. Wells Besuch mit dem kleinen Sohn im skurrilen Zauberladen, dessen Besitzer unaufhörlich Tricks vorführt, bis die Situation aus dem Ruder läuft, aber auch Brjussows Geständnisse eines grausigen Traumwandlers, der aus reiner Mordlust seine Frau schlachtet. Fabelhaftes Seemannsgarn spinnt Ewald Gerhard Seeliger in der Robinsonade "Hein Krukenbargs Paradies".
Auch wenn die von Lorenz ausgewählten Zeitgenossen nicht alle mit den Klassikern mithalten können und manches (besonders im Bereich der Satire) doch recht gewollt und gespreizt ist, macht es Spaß, beim Lesen die Lügner und Prahlhänse, Paradiesvögel und Blender, Dämonen und Psychopathen, Hypnotisierten und Besessenen, Homunculi und Doppelgänger, Geisterbeschwörer und Hypnotisierten vorbeidefilieren zu sehen. Schaurigschön.
"Ein lustig-grausig-buntphantastisches Siebenundzwanziggeschichtenabenteueralbum, für Leute, die nicht schlafen gehen wollen", beschreibt der Herausgeber Felix Lorenz die wilde Sammlung, die von Lukian über die Geschichtenerzähler der Renaissance und die Schelmenromane um Lazarillo de Tormes, Schelmuffsky und Pantagruel, die Meister des Geisterhaften, E.T.A. Hoffmann ("Die Geschichte vom verlornen Spiegelbilde") und Edgar-Allan Poe ("Hopp-Frosch") bis hin zu damals zeitgenössischen Autoren wie Jakob Elias Poritzky und Victor Auburtin alles einsammelt, was unter grotesk zu verstehen ist.
Lorenz schreibt: "So kommt es, dass in den Bereich der Groteske das Grausig-Phantastische ebenso wie das Barock-Satirische und das schlechthin Burleske hineingehören - sie finden sich dort unter dem Zaubermantel eines überlegen spielenden Dichterwillens zusammen." So findet sich denn Mark Twain neben Paul Scheerbart, Christian Reuter neben Villiers de L'Isle-Adam.
Besondere Schätze sind H. G. Wells Besuch mit dem kleinen Sohn im skurrilen Zauberladen, dessen Besitzer unaufhörlich Tricks vorführt, bis die Situation aus dem Ruder läuft, aber auch Brjussows Geständnisse eines grausigen Traumwandlers, der aus reiner Mordlust seine Frau schlachtet. Fabelhaftes Seemannsgarn spinnt Ewald Gerhard Seeliger in der Robinsonade "Hein Krukenbargs Paradies".
Auch wenn die von Lorenz ausgewählten Zeitgenossen nicht alle mit den Klassikern mithalten können und manches (besonders im Bereich der Satire) doch recht gewollt und gespreizt ist, macht es Spaß, beim Lesen die Lügner und Prahlhänse, Paradiesvögel und Blender, Dämonen und Psychopathen, Hypnotisierten und Besessenen, Homunculi und Doppelgänger, Geisterbeschwörer und Hypnotisierten vorbeidefilieren zu sehen. Schaurigschön.
Montag, 4. Juni 2012
Mikkel Birkegaard: Die Bibliothek der Schatten
"Kommen Sie allein, ohne Lesestoff in jedweder Form."
Das ist originell: Die Bücher sind hier die Waffen. Eine Kopenhagener Geheimgesellschaft vereint Männer und Frauen, die die Gabe besitzen, allein durch Vorlesen andere Menschen steuern zu können - wenn sie Sender sind - oder die Gedanken lautlos Lesender mithören und verstärken können - wenn sie Empfänger sind. Der Anwalt Jon stößt zu der Gesellschaft, der sein Vater einst angehörte und entdeckt seine eigene Gabe als Sender. Er trifft aber auch auf eine Schattengesellschaft, deren Mitglieder ihre Gabe missbrauchen.
Eine gute Idee. Schade, dass ihr die Umsetzung nicht gerecht wird. Dabei hat die Atmosphäre, die der Autor erzeugen will, ihren Zauber. Den Leser umfangen nicht nur endlose Bücherstapel, sondern auch verwunschene Gärten, bewachsene Türmchen, rostige Zahnräder und eisenbeschlagene, schwere Holztüren.
Was stört, sind die vielen Ungereimtheiten und inhaltlichen Fehler. Wenn es in einem Antiquariat einen beträchtlichen Brand gibt, dann bleiben die Bücher nicht unversehrt, nur weil sie nicht verbrennen: Sie wären schwer rußgeschädigt und der Antiquar könnte nicht - wie im Hauptschauplatz "Libri di Luca" - direkt nach den aufwendigen Löscharbeiten zur Tagesordnung übergehen.
Auch die Sprache ist nicht besonders lebendig, sondern oft hölzern und bürokratisch. Die Handlung ist nicht stimmig, zu konstruiert, hat keine zwingende Logik. Die Spannung fehlt vollkommen.Bis zum Schluss nimmt die Lust umzublättern nicht zu. Nicht lesenswert.
Das ist originell: Die Bücher sind hier die Waffen. Eine Kopenhagener Geheimgesellschaft vereint Männer und Frauen, die die Gabe besitzen, allein durch Vorlesen andere Menschen steuern zu können - wenn sie Sender sind - oder die Gedanken lautlos Lesender mithören und verstärken können - wenn sie Empfänger sind. Der Anwalt Jon stößt zu der Gesellschaft, der sein Vater einst angehörte und entdeckt seine eigene Gabe als Sender. Er trifft aber auch auf eine Schattengesellschaft, deren Mitglieder ihre Gabe missbrauchen.
Eine gute Idee. Schade, dass ihr die Umsetzung nicht gerecht wird. Dabei hat die Atmosphäre, die der Autor erzeugen will, ihren Zauber. Den Leser umfangen nicht nur endlose Bücherstapel, sondern auch verwunschene Gärten, bewachsene Türmchen, rostige Zahnräder und eisenbeschlagene, schwere Holztüren.
Was stört, sind die vielen Ungereimtheiten und inhaltlichen Fehler. Wenn es in einem Antiquariat einen beträchtlichen Brand gibt, dann bleiben die Bücher nicht unversehrt, nur weil sie nicht verbrennen: Sie wären schwer rußgeschädigt und der Antiquar könnte nicht - wie im Hauptschauplatz "Libri di Luca" - direkt nach den aufwendigen Löscharbeiten zur Tagesordnung übergehen.
Auch die Sprache ist nicht besonders lebendig, sondern oft hölzern und bürokratisch. Die Handlung ist nicht stimmig, zu konstruiert, hat keine zwingende Logik. Die Spannung fehlt vollkommen.Bis zum Schluss nimmt die Lust umzublättern nicht zu. Nicht lesenswert.