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Montag, 17. Oktober 2011

Tschechow kann was

...bzw. konnte er was und sicher hat der gute Mann sein Leben lang auf dieses Lob von mir an dieser Stelle gewartet.... Bitteschön. Diese Buchkritik nun wird ein einziger Spoiler, denn Tschechows Krimi “Drama auf der Jagd” ist ja ebenfalls ein solcher.

Der Erzähler, der Untersuchungsrichter Sergej, kostet es nämlich aus, Leser zu haben, die er auf die Folter spannen kann - auch wenn er es (bewusst?) ungeschickt anstellt. Auf Seite 91, die Hälfte des Buches ist schon vorbei und bisher war vor allem von echt russischen Wodkagelagen im Hause eines Grafen die Rede, schreibt er: Der Prolog ist zu Ende, das Drama beginnt.

In dieser dramatischen Welt wimmelt es von wunderbar skurrilen Figuren wie dem herrischen Diener Polykarp. “Dass mir das nicht noch einmal vorkommt, Sergej Petrowitsch“, raunzt er seinen Herrn nach einem Damenbesuch an, “ich wünsche das nicht.”

Durch und durch verdorben ist der Graf, der nach und nach alles ausspricht, was Sergej wünscht und denkt, der schamlos jeder Frau nachstellt. “Niemand aber hätte geglaubt, dass der knabenhafte Eroberungsversuch einige der beteiligten Personen in den sittlichen Niedergang, in den Tod und gar ins Verbrechen treiben sollte.” Einer von den zahllosen epischen Vorverweisen, mit denen der Erzähler Sergej seine Leser bei der Stange halten will.

Jeder begreift sehr schnell, wo der Hase läuft, der “Herausgeber” (“Sag ihm, der Herr Redakteur empfängt nur sonnabends”, herrlich!) steht zwar lange auf dem Schlauch, meldet sich aber im letzten Buchviertel lautstark mit zahlreichen Fußnoten zu Wort. Kostprobe:

“Wozu das?” “Wäre es nicht besser gewesen, solche groben Fehler vor dem Leser zu verbergen?”

Schließlich kommt es zum Showdown zwischen Erzähler und Herausgeber, wobei letzterer den Untersuchungsrichter als Mörder überführt. Der lacht nur, hat er die ganze Schau doch absichtlich abgezogen, in der Gewissheit, dass ihm niemand mehr etwas anhaben kann. Tschechow lässt den bösen Sergej mit seinen Opfern spielen und den Leser sich ärgern. Das ist ganz große Kunst.

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