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Samstag, 2. Juli 2011

Das Seifenopern-Quartett

Ich hoffe ja immer darauf, in einem Grabbeltisch auf die große, (von mir) bisher unentdeckte Romanperle zu stoßen. Was fesselt meine Aufmerksamkeit? Schöne Buchgestaltung ist wichtig, denn es geht auch um das Produkt Buch – auch wenn dieses Vorgehen vom eigentlichen Zweck, einen inhaltlich fesselnden, hochwertigen Roman zu finden, manchmal ablenkt. Ins Buch selbst lese ich nur ganz selten hinein, und wenn, dann auch nicht am Anfang, sondern an einer beliebig aufgeschlagenen Stelle. Dabei geht es mir um den Stil, nicht um Handlung oder Story. Für diese ist der Klappentext zuständig.


Der Klappentext ist für mich der wirklich entscheidende Köder. Entweder er wirkt oder eben nicht. Manchmal habe ich damit auch schon daneben gegriffen, wenn also der Klappentextschreiber im Gegensatz zum Buchautoren ein begabter Geschichtenerzähler war, der verdichten und fesseln konnte. Nicht so im Fall von Tonino Benaquistas „Seifernopern-Quartett“, 1997 in Frankreich erschienen, 1998 auf Deutsch, seither vergessen und von mir elf Jahre später auf einem Wühltisch für einen Euro gefunden.


In diesem Fall steht da: „Drei Männer und eine Frau, gebeutelt vom Leben und beruflich am Ende, sind in einem Zimmer zusammengepfercht und schreiben eine Fernsehserie. Die einzige Bedingung des Senders: so billig und schnell wie möglich. Denn die Seifenoper, ausgestrahlt in den frühen  Morgenstunden, wird sowieso keiner sehen. Es geht dem Sender nur um die Anhebung des nationalen Filmanteils, denn wir sind in Frankreich...“ Beim Abtippen bemerke ich, dass ich diese drei Pünktchen – sie sind im Text so enthalten, affig finde. Fiel mir aber vorher nicht auf, und änderte jedenfalls nichts daran, dass mich dieser Klappentext, der dann noch weiter besagt, dass eben diese Serie zum Kult und richtig beliebt wird und damit die Probleme für das Autorengespann beginnen, erreicht hat. Ich habe das Buch also mitgenommen und diesen Schritt nicht bereut.


Der Autor hatte nicht nur – wie der Klappentext beweist – eine gute Idee, sondern er hat sie auch perfekt umgesetzt. „Das Seifernopern-Quartett“ hat alles, was das Leseerlebnis ausmacht. Der Heißhunger, immer noch eine Seite umblättern zu müssen. Das verliebte Gefühl, das sich einstellt, wenn ich an einer entscheidenden Stelle Schluss mache, um das Gelesene wirken zu lassen, mir die mögliche Fortsetzung und Auflösung der Situation auszumalen und sie meinen Tag begleiten zu lassen, nur um die Lektüre dann umso gieriger wieder aufzunehmen.


Den Kunstgriff, zwei Personen-Sets auf zwei Ebenen der Realität auftreten zu lassen, ist zwar uralt. Aber hier macht er Spaß. Die Handlung, die sich die vier Autoren ausdenken ist skurril. Sie ist nicht beschrieben sondern erzählt, man blickt den Skriptschreibern also quasi über die Schultern. Diese Arbeit hat sich der Autor gemacht und das zahlt sich aus.

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