Samstag, 19. Juli 2025

Stuart Turton: Die sieben Tode der Evelyn Hardcastle

Es ist doch immer das gleiche: Der Held hat den Bösewicht schon überwunden, hat ihn endlich in seiner Gewalt. Doch dann zögert er. Er denkt noch einmal nach, hat Skrupel, lässt sich auf den vermeintlich letzten Wunsch des Bösewichts ein und dann gewinnt dieser durch einen miesen Trick die Oberhand und fackelt nicht lange. Aaahhh! Ich weiß, dass es immer, immer so ist, aber in diesem Fall habe ich den Helden wieder einmal so verflucht, wollte ihm verzweifelt Beine machen. Ein Buch, in dem so etwas passiert, in dem das, in dem ich das Kind bin, dass das Kasperle schreiend vor dem Krokodil warnt, ist richtig gut. Ich weiß, dass die Handlung so konstruiert sein muss, aber ich bin so in ihr gefangen, dass ich genau das verhindern will.

Bei „Die sieben Tode der Evelyn Hardcastle“ wollte ich den Ich-Erzähler so oft schütteln wie wohl noch nie einen seiner Vorgänger. Und das beweist: Dieses Buch ist in meinen Augen ein Meisterwerk. E.T.A. Hoffmann ist auferstanden und hat zwischenzeitlich Edgar Allan Poe, Wilkie Collins, Anthony Horowitz und Agatha Christie gelesen.

Im viktorianischen England stolpert ein Mann in ein Herrenhaus, wo gerade ein Maskenball vorbereitet wird. Er hat jede Erinnerung an früher verloren. Wie ihm andere Gästen eröffnen, ist er ein skrupelloser Drogenhändler. Oder besser: Er war es bislang, möchte es aber nicht mehr sein. Am Tag darauf erwacht er. Aber er ist nicht mehr der Drogenhändler, sondern ein verstörter Butler. Und es ist auch nicht der Tag darauf, sondern derselbe, den er in anderer Gestalt schon durchlebt hat. Ein seltsamer Herr im Kostüm eines Pestdoktors enthüllt ihm: Achtmal hintereinander wird er an diesem Tag aufwachen,  immer im Körper eines anderen Maskenball-Gastes. Dann beginnt das Spiel von vorne und er verliert wieder sein Gedächtnis. Es sei denn, die acht Gäste, die er bewohnt, können den Kriminalfall lösen: Wer hat Evelyn Hardcastle getötet?

Jeder einzelne Satz ist ein Fest für Fans von Logikrätseln. Wenn die landläufige Logik an ihre Grenzen kommt - und das tut sie bei Zeitreisegeschichten zwangsläufig - schlägt sie kreativ ideenreiche Haken. Und ganz nebenbei ist das ein richtig guter, spannender Krimi. 

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