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Samstag, 13. November 2021

Robert Seethaler: Das Feld

 

Wer möchte nicht gerne wissen, was die Toten zu erzählen haben? Robert Seethaler befriedigt in seiner Geschichtensammlung Das Feld diese menschliche Neugier. Er  
knüpft damit ein bisschen an die uralte literarische Gattung der Totengespräche an. 29 Tote auf dem Gottesacker des fiktiven Ortes Paulstadt dürfen hier noch einmal sprechen: eine Frau, die 67 Männer hatte, ein korrupter Bürgermeister, ein ambitionierter Obsthändler, ein Glücksspielsüchtiger und seine Frau, die die Augen vor der Realität verschließen will…

Menschen erzählen von den gleichen Sachverhalten komplett unterschiedlich. Es kommt darauf an, was sie hervorheben und ausblenden, worauf sie fokussiert waren und was sie gar nicht wahrnahmen. Sie erzählen von ihrem Tod oder ihrer Kindheit oder einzelnen Wendepunkten oder scheinbaren Belanglosigkeiten - je nachdem, welche Momente in ihren Leben sie als bedeutsam empfinden oder von welchen sie einfach noch einmal gerne erzählen möchten. Wie ein Mosaik fügt sich der Ort Paulstadt zusammen.

Alles, was hier gesagt wird,  ist endgültig - wie sollte es anders sein? Die Erzähler haben buchstäblich keine Chance mehr. Aber keiner der Toten klagt an, alle klingen irgendwie mild (und ähneln sich insofern, dass sie alle nach Seethaler klingen). Die Meisterschaft des Autors ist seine lakonische, glasklare Sprache. Was erlebt und fühlt ein Sterbender nach einem Autounfall? Das ist wirklich spannend, und ja, man ist gierig darauf, es zu erfahren.

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