Goldene Regel: Wo Anthony Horowitz draufsteht, stecken intelligente, vertrackte, doppelbödige Krimis drin, die so spannend sind, dass man sie von der ersten bis zur letzen Seite fressen möchte. So auch The Word is Murder, eine Detektivgeschichte aus dem London der Jetzt-Zeit. Wie in Die Morde von Pye Hall thematisiert der Autor den Prozess des Krimi-Schreibens selbst, spielt mit verschiedenen Ebenen und führt den Leser fies in die Irre. Unzählige Shakespeare-Zitate und Anspielungen zeigen nur zu deutlich, dass wir uns hier in die magische Welt des Theaters begeben.
Hauptfigur ist der Detektiv Daniel Hawthorne, ein ziemlich unsympathischer, schroffer, homophober und unsozialer Ex-Polizist, den sein früherer Arbeitgeber Scotland Yard wegen seines besonderen Riechers bei besonders kniffligen Fällen hinzuzieht. Und da ist sein ahnungsloser, unbedarfter und rechtschaffener Sidekick, der Hawthorne bewundern darf, aber sonst den Mund halten soll und natürlich auf jede zwingende Schlussfolgerung viel, viel später stößt als der Leser. Das klingt nach Dr. Watson oder Hutchinson Hatch, aber es ist (und das ist neu): der Schriftsteller Anthony Horowitz selbst.
Horowitz lässt hier tatsächlich sein reales Ich erzählen, von seinen Buchprojekten, der Arbeit mit der Agentin, Aufritten bei Lesefestivals berichten. Der mürrische Hawthorne hat den renommierten Autor als Chronisten gewonnen, der seinem neuesten Fall ein Buch widmen soll: Hawthorne investigates soll es heißen - wenigstens hier setzt sich Horowitz durch, der sonst wenig zu melden hat: The word is murder, heißt das Buch schließlich.
Geschickt verwebt Horowitz Realität (das meiste, was seine eigene Person und ihr Umfeld betrifft) und Fiktion (den ganzen Rest) - und hält dieses Verwirrspiel sogar bis ins die Danksagungen am Schluss des Buches durch. Herrlich, wie Hawthorne mitten in ein vielversprechendes Treffen Horowitz' mit Steven Spielberg und Peter Jackson platzt und so dessen Karriere als Kino-Autor nachhaltig beschädigt.
Aber der Fall hat Vorrang: Hawthorne soll herausfinden, wer die Witwe Diana Cowper, die Mutter des erfolgreichen Hollywood-Schauspielers Damian Cowper, stranguliert hat. Pikant: Sechs Stunden vorher hatte Diana Cowper bei einem Bestattungsinstitut die Details für ihre eigene Beerdigung regeln lassen. Und noch einmal zehn Jahre früher hatte Diana Cowper mit dem Auto zwei Kinder überfahren - eines starb, das andere überlebte schwerstbehindert - und Fahrerflucht begangen.
Hawthorne ermittelt und Horowitz versucht nachvollziehen, wie er die Fäden entwirrt, zieht aber meist die falschen Schlüsse. Sehr schön, wie selbstironisch sich der Autor hier als ahnungslos, leicht blasiert und etwas dämlich darstellt. Was die Auflösung des Falls angeht, habe ich immer auf den großen Knalleffekt gewartet, der alles bis dahin Gelesene radikal auf den Kopf stellt. Das hat dieser Krimi zwar nicht zu bieten. Trotzdem ist es ein sehr kniffliger und durchdachter Plot, der bis zum Ende spannend bleibt und zig Aha-Erlebnisse bietet.
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