Dieses hübsche Buch versammelt Widmungen - und zwar nicht Autorenwidmungen, also signierte Ausgaben - sondern Gedanken, die Buchverschenker den Beschenkten auf den Schmutztitelseiten hinterlassen haben. Autor Wayne Gooderham beschreibt sich im Vorwort als einen Sammler, der gebrauchte Bücher kaufte und so viele dieser Widmungen darin fand, dass er schließlich ein Sammelgebiet daraus machte. Abgebildet sind die Buchcover und die jeweiligen Widmungen - wo sie allzu unleserlich geraten sind, finden sie sich zusätzlich säuberlich gedruckt.
Das Gros dieser Botschaften war zunächst einmal völlig privat und ganz sicher nicht für Dritte bestimmt. Obwohl in den Sprüchlein mitunter sogar ausdrücklich davor gewarnt wird, das Buch zu verlieren oder wegzugeben...
"If this book should ever roam, box its ears an send it home."
... wurde es letztlich doch auf die Reise geschickt und landete im Antiquariat oder auf dem Flohmarkt. Solche Einträge, ob gekritzelt oder in Schönschrift, machen den Mehrwehrt eines Buches aus. Neben Autor, Verleger, Lektor, Drucker, Buchgestalter und Buchhändler sind zwei weitere Personen an der Enstehung und damit der Persönlichkeitsentwicklung des Buches beteiligt: der Schenker und der Leser. Wieder so eine magische Sache, die mit der Digitalisierung des Mediums Buch verloren geht.
Oft erzählen die Einträge ganze Geschichten. Words (Les mots) von Jean Paul Sartre schenkt eine Hetty ihrer Mutter und mahnt diese, es sorgfältig und ohne Vorurteile bis zum Schluss zu lesen. Manchmal passt die Botschaft so gar nicht zum Buch in dem sie steckt: So verbirgt das Kompendium mit dem prosaischen Titel Embedded Autonomy. States of an industrial transformation eine flammende, poetische Liebeserklärung auf dem Vorsatz.
Manches dagegen passt beängstigend gut zusammen. ln der Shooter's Bible. The world's Standard firearms reference book widmet Daniel dem beschenkten Matt, das brutale Filmzitat aus Taxi Driver mit Robert de Niro: "One day a real rain will come and wash all the scum of the streets."
Neuigkeiten, Dank, Wünsche, Skizzen, Karikaturen, eigene Gedichte, fremde Zitate, Erklärungen zum jeweiligen Buch, Gebrauchsanweisungen, wie es zu lesen oder verstehen ist, manchmal auch Warnungen davor. Das Genre kennt keine Grenzen. Manches ist ironisch, boshaft, sogar beleidigend: „from a selfish old slag to a fat lazy old cow" in Londoners von Celina Fox.
Bisweilen ist das Gedruckte mit einbezogen: Aus der Verlagsangabe Fourth Estate wird "Your fourth dimension lover". Manches bleibt rätselhaft. In den Bildband Love Goddesses of the Movies schrieb jemand "You satisfied my hunger". Ausnahmsweise finden sich auch Nachrichten des Besitzers und Lesers an sich selbst, der diese Botschaften liest, wenn er den Band später wieder zur Hand nimmt. "I'm quite bewildered by it" steht da über A Severed Head von Iris Murdoch. Dem Band Unemployment and Plenty wurde eine Wutrede über Margaret Thatcher hinzugefügt.
Schön ist die Widmung in einem Charlie-Brown-Buch. Sie lautet schlicht und einfach: "I love you"
Das darf zum Schluss nicht fehlen: Natürlich habe ich dieses Buch selbst gebraucht (in einem Oxfam Shop) gekauft. Und es trägt ebenfalls eine Widmung von Weihnachten 2013 (Ich wusste nicht, ob sie eingedruckt war, aber die Tinte ließ sich verwischen):"To Stan, with love Polly - I could have been pretentious and quoted some ancient sage but I think Willie Nelson said what I want to say well enough ,You were always on my mind'".
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Donnerstag, 9. Mai 2019
Sonntag, 5. Mai 2019
Anthony Horowitz: The Word is Murder
Goldene Regel: Wo Anthony Horowitz draufsteht, stecken intelligente, vertrackte, doppelbödige Krimis drin, die so spannend sind, dass man sie von der ersten bis zur letzen Seite fressen möchte. So auch The Word is Murder, eine Detektivgeschichte aus dem London der Jetzt-Zeit. Wie in Die Morde von Pye Hall thematisiert der Autor den Prozess des Krimi-Schreibens selbst, spielt mit verschiedenen Ebenen und führt den Leser fies in die Irre. Unzählige Shakespeare-Zitate und Anspielungen zeigen nur zu deutlich, dass wir uns hier in die magische Welt des Theaters begeben.
Hauptfigur ist der Detektiv Daniel Hawthorne, ein ziemlich unsympathischer, schroffer, homophober und unsozialer Ex-Polizist, den sein früherer Arbeitgeber Scotland Yard wegen seines besonderen Riechers bei besonders kniffligen Fällen hinzuzieht. Und da ist sein ahnungsloser, unbedarfter und rechtschaffener Sidekick, der Hawthorne bewundern darf, aber sonst den Mund halten soll und natürlich auf jede zwingende Schlussfolgerung viel, viel später stößt als der Leser. Das klingt nach Dr. Watson oder Hutchinson Hatch, aber es ist (und das ist neu): der Schriftsteller Anthony Horowitz selbst.
Horowitz lässt hier tatsächlich sein reales Ich erzählen, von seinen Buchprojekten, der Arbeit mit der Agentin, Aufritten bei Lesefestivals berichten. Der mürrische Hawthorne hat den renommierten Autor als Chronisten gewonnen, der seinem neuesten Fall ein Buch widmen soll: Hawthorne investigates soll es heißen - wenigstens hier setzt sich Horowitz durch, der sonst wenig zu melden hat: The word is murder, heißt das Buch schließlich.
Geschickt verwebt Horowitz Realität (das meiste, was seine eigene Person und ihr Umfeld betrifft) und Fiktion (den ganzen Rest) - und hält dieses Verwirrspiel sogar bis ins die Danksagungen am Schluss des Buches durch. Herrlich, wie Hawthorne mitten in ein vielversprechendes Treffen Horowitz' mit Steven Spielberg und Peter Jackson platzt und so dessen Karriere als Kino-Autor nachhaltig beschädigt.
Aber der Fall hat Vorrang: Hawthorne soll herausfinden, wer die Witwe Diana Cowper, die Mutter des erfolgreichen Hollywood-Schauspielers Damian Cowper, stranguliert hat. Pikant: Sechs Stunden vorher hatte Diana Cowper bei einem Bestattungsinstitut die Details für ihre eigene Beerdigung regeln lassen. Und noch einmal zehn Jahre früher hatte Diana Cowper mit dem Auto zwei Kinder überfahren - eines starb, das andere überlebte schwerstbehindert - und Fahrerflucht begangen.
Hawthorne ermittelt und Horowitz versucht nachvollziehen, wie er die Fäden entwirrt, zieht aber meist die falschen Schlüsse. Sehr schön, wie selbstironisch sich der Autor hier als ahnungslos, leicht blasiert und etwas dämlich darstellt. Was die Auflösung des Falls angeht, habe ich immer auf den großen Knalleffekt gewartet, der alles bis dahin Gelesene radikal auf den Kopf stellt. Das hat dieser Krimi zwar nicht zu bieten. Trotzdem ist es ein sehr kniffliger und durchdachter Plot, der bis zum Ende spannend bleibt und zig Aha-Erlebnisse bietet.
Hauptfigur ist der Detektiv Daniel Hawthorne, ein ziemlich unsympathischer, schroffer, homophober und unsozialer Ex-Polizist, den sein früherer Arbeitgeber Scotland Yard wegen seines besonderen Riechers bei besonders kniffligen Fällen hinzuzieht. Und da ist sein ahnungsloser, unbedarfter und rechtschaffener Sidekick, der Hawthorne bewundern darf, aber sonst den Mund halten soll und natürlich auf jede zwingende Schlussfolgerung viel, viel später stößt als der Leser. Das klingt nach Dr. Watson oder Hutchinson Hatch, aber es ist (und das ist neu): der Schriftsteller Anthony Horowitz selbst.
Horowitz lässt hier tatsächlich sein reales Ich erzählen, von seinen Buchprojekten, der Arbeit mit der Agentin, Aufritten bei Lesefestivals berichten. Der mürrische Hawthorne hat den renommierten Autor als Chronisten gewonnen, der seinem neuesten Fall ein Buch widmen soll: Hawthorne investigates soll es heißen - wenigstens hier setzt sich Horowitz durch, der sonst wenig zu melden hat: The word is murder, heißt das Buch schließlich.
Geschickt verwebt Horowitz Realität (das meiste, was seine eigene Person und ihr Umfeld betrifft) und Fiktion (den ganzen Rest) - und hält dieses Verwirrspiel sogar bis ins die Danksagungen am Schluss des Buches durch. Herrlich, wie Hawthorne mitten in ein vielversprechendes Treffen Horowitz' mit Steven Spielberg und Peter Jackson platzt und so dessen Karriere als Kino-Autor nachhaltig beschädigt.
Aber der Fall hat Vorrang: Hawthorne soll herausfinden, wer die Witwe Diana Cowper, die Mutter des erfolgreichen Hollywood-Schauspielers Damian Cowper, stranguliert hat. Pikant: Sechs Stunden vorher hatte Diana Cowper bei einem Bestattungsinstitut die Details für ihre eigene Beerdigung regeln lassen. Und noch einmal zehn Jahre früher hatte Diana Cowper mit dem Auto zwei Kinder überfahren - eines starb, das andere überlebte schwerstbehindert - und Fahrerflucht begangen.
Hawthorne ermittelt und Horowitz versucht nachvollziehen, wie er die Fäden entwirrt, zieht aber meist die falschen Schlüsse. Sehr schön, wie selbstironisch sich der Autor hier als ahnungslos, leicht blasiert und etwas dämlich darstellt. Was die Auflösung des Falls angeht, habe ich immer auf den großen Knalleffekt gewartet, der alles bis dahin Gelesene radikal auf den Kopf stellt. Das hat dieser Krimi zwar nicht zu bieten. Trotzdem ist es ein sehr kniffliger und durchdachter Plot, der bis zum Ende spannend bleibt und zig Aha-Erlebnisse bietet.