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Samstag, 2. März 2019

Luis Sellano: Portugiesisches Erbe

Manchmal wünsche ich mir, aus zwei Büchern eins zu machen. Da wären zum einen dieser Lissabon-Krimi des Schwaben Oliver Kern, der sich Luis Sellano nennt - und zum anderen der moderne Klassiker "Nachtzug nach Lissabon" des Schweizers Peter Bieri, der wiederum das Pseudonym Pascal Mercier führt.

Beide Romane nähern sich Lissabon aus der mitteleuropäischen Perspektive und mithilfe mitteleuropäischer Hauptfiguren. Merciers Werk ist sprachgewaltig, gewandt, poetisch und politisch. Aber - so zumindest habe ich es in Erinnerung - es fesselt nicht gerade angesichts seiner behäbigen Handlung.

Sellanos Auftakt einer Reihe von Lissabon-Krimis hingegen besitzt einen spannenden, farbigen Plot, der von der ersten bis zur letzten Seite packt: Ein Deutscher erbt von seinem Onkel ein Antiquariat in Portugal und bemerkt gleich nach seiner Ankunft, dass die Bücherschatzkammer auch ein Archiv der ungelösten Verbrechen ist. Er stößt auf Kinderleichen in Weinfässern und einen besessenen Mönch in einem Klosterturm legt sich mit einem Industriellenclan an, trifft einen schweigsamen Travestiekünstler sowie viele portugiesische Frauen, deren Herzen ihm reihenweise zufliegen.

Andererseits ist Sprache Sellanos ungelenk, wenig pointiert, manchmal klischeehaft bis altklug: "Die naheliegende Erklärung für sein verzögertes Reaktionsvermögen war wohl den in Cannabispflanzen enthaltenen Wirkstoffen geschuldet", heißt es unvermittelt über eine Person. Oder: "Seine Verlegenheit nahm zu, nun spürte er Röte in seinen Wangen sprießen." (sic!) Oder: "Ihr erster Kuss brannte, wegen der aufgeschlagenen Lippe. Alle, die folgten, brannten aus purer Leidenschaft."

Nicht immer sind die Dialoge glaubwürdig, nicht alle Wendungen ergeben sich zwingend. Aber im Ganzen ist das doch ein gut zu lesender, abwechslungsreicher Krimi. Zumal Sellano auch schwierige Stellen wie Verfolgungsjagden und Schlägereien erzählerisch sehr gut meistert.

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