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Sonntag, 10. August 2014

Edgar Hahnewald: Der grüne Film

Es ist nicht so einfach, Landschaft zu beschreiben, ohne auf die immer gleichen Formulierungen zu verfallen. Dieses Wanderbuch von Edgar Hahnewald aus dem Jahr 1920, zeigt wie es geht. Was ein Schreiber alles entdecken kann, wenn er genau hinsieht: Jede Wolke, jedes Kornfeld, jede Pfütze inspiriert diesen Mann zu Wortzaubereinen. 

Beschrieben sind 20 Wanderungen rund um Dresden zu allen Jahreszeiten. Zum Lesen ist es völlig unerheblich, ob man dieses Landschaften kennt oder ob man sie vielleicht niemals zu Gesicht bekommen wird. Sie ist einfach schön, diese Art von Naturpoesie, wie sich auch in alten Reiseführern und frühen Merian-Heften immer wieder auftaucht. 

Natürlich würde die Sprache heute teils als schwülstig und kitschig empfunden. Und vielleicht war sie es damals schon. Na und? Dafür macht sie glücklich und sorgt bei Lesern, die die Natur lieben und gerne wandern für ständige Wiedererkennens-Erlebnisse. 

Obendrein kommt Hahnewalds Sprache fast ganz ohne tote, abgedroschene Bilder aus. Jeder Vergleich passt zur Situation und ruft ein bestimmtes Gefühl, einen Klang, einen Geruch wach. Hier ist alles lebendig: Wege wandern oder schreiten, Häuser ducken sich oder stecken die Köpfe zusammen und flüstern. Blumiger geht es nicht: Wenn Hahnewald beschreibt, mit welchen Finten und Verführungen der verschiedenen Blüten es fertig bringen, Falter und Hummeln anzulocken, sieht man den Oberlehrer in Kniebundhosen vor sich, der seinen Schülern von Pflanze zu Pflanze vorauseilt. Der Autor regt sich auf über allzu akkurat geschnittene Hecken und geschmacklose Gartenzwerge, aber auch über die „Biervandalen“, die johlen und Blütenzweige abreißen. Ja, ja.

Warum gibt es solche Wanderbücher heute nicht mehr? Drängt sich die Natur nicht mehr so auf wie früher und tritt mehr in den Hintergrund? Oder haben wir das Sehen und das Achten auf Kleinigkeiten verlernt? Empfinden wir einen Sonnenaufgang im Nebel oder Herbstgewitter über einem abgeernteten Kornfeld nicht mehr als spektakulär, weil wir von allen Seiten zugedröhnt werden? In jedem Fall finde ich, dass eine solche Herrlichkeit nicht in Vergessenheit geraden darf. Deshalb hier ein paar besonders schöne Stellen: 

„Unter der treuen Aussicht zweier schlanker Kiefern dehnt sich eine Lichtung wohlig in der Sonne.“

„Der Zauber des Laubteppichs wird noch erhöht durch huschende Sonnenlichter, die am goldenen Boden zittern.“

„Hinten im Lichtglast breitet sich die große Stadt, haus an Haus, vom Silbergürtel der Elbe umflossen. Die Türme ragen klar und deutlich aus dem Häusergewoge empor."

„Der Weg verlässt die Enge und tritt hinaus auf lichtfunkelnde Höhen.“

„Auf waldigem Felsthrone träumt das Dorf Coschütz im Sonnenzauber, vom Windberg überwölbt.“

„Es ist ein still beschaulicher Gräbergarten. Aus dem tiefernsten Schatten der Zypressen blickt dich das lenzgläubige Himmelschlüssel fragend an ob du ihm sein freudiges Blühen an dieser Stätte verwehren möchtest."

„Und darüber hinaus blaut der duftige Kranz sonniger Höhen weltenweit.“

„Tiefen Frieden, leuchtende Sonnenfreude atmet alles.“

„Im Wiesengras frohlocken farbenglühende Blumenaugen im Lichte.“

„In freudigem Schauen versunken, weilt der Blick in weiter Ferne. Mit einem weltumfassenden Zuge möchte er all die Schönheit heimtragen, hinein ins graue Einerlei des Alltags.“

„Traumverloren, als habe ihn die Schönheit des Geschauten gepackt, zieht der Weg hinein in den Wald, an einem hoheitsvollen Buchentempel vorüber.“

„Lange könnte man hier sitzen, immer neue, feine Reize tun sich dem Auge kund.“

"Feld um Feld wallt die prangende Flut der Ähren, die Dörfer liegen wie Stille Inseln im goldnen Meere, und weit draußen, wo die wogende Getreideflut am Riesenleibe der Stadt verbrandet, blitzt der Strom und blaue Höhen Flimmern im Licht."

 

P.S.: Das Papier, auf dem dieses alte Buch gedruckt ist, muss eine besondere Zutat haben: Es glitzert in der Sonne. 

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