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Mittwoch, 4. September 2013

Michael Ondaatje: Katzentisch

He wor John Steinbeck, do stund Joseph Conrad.... und hier kommt Michael Ondaatjes "Katzentisch". Ein Schiffsabenteuer erster Güte und gleichzeitig ein fabelhaftes, weises Geschichtenbuch.

In den Fünfzigerjahren verlässt der elfjährige Mynah seine Heimat Ceylon. Drei Wochen dauert die Fahrt auf dem Dampfer "Oronsay" nach London. In Wahrheit steckt in dieser Fahrt, die er als Kind unternimmt,  schon sein ganzes Leben - auch wenn er es noch nicht ahnt.

Im Speiseraum sitzt er am Katzentisch - abseits, weit weg vom Kapitän. Aber an diesem Tisch  passieren die entscheidenden Dinge, hier ist das Leben, hier sitzen die Menschen, die etwas erleben und erzählen: der Pianist Mazappa, der experimentierfreudige Botaniker Daniels, der weitgereiste Schiffsabwracker Nevil, der stumme Schneider Gunesekera, die scheinbar dröge alte Jungfer Lasqueti.

Das Beste: Hier sitzen auch die Gleichaltrigen und ebenfalls allein Reisenden Cassius und Rahmadin. Die drei machen das Schiff zu ihrem Abenteuerreich, loten Grenzen aus, übertreten genussvoll Verbote, entdecken, recherchieren, horchen, saugen alles auf, suchen und finden (auch) sich selbst. 

Großartig ist dieser Roman, der ganz nebenbei eine spannende Mordgeschichte erzählt, wegen der Figuren, deren ganze Leben - die sich in diesen wenigen Wochen der Schiffsreise herausschälen und hier mitunter die entscheidende Wendung nehmen - forterzählt sind,

In einer Zwischenwelt, wie sie unterwegs, auf Schiffen, Häfen, Flughäfen zu erleben ist, wo alle, die uns begegnen ebenso entwurzelt sind wie wir selbst, erleben wir die wenigen entscheidenden Dinge. Schöner als die Passage, die die nächtliche Fahrt durch den Suez-Kanal, knapp am Ufer entlang, beschreibt, kann Literatur nicht sein:

"Cassius und ich hingen gefährlich tief über die Reling des Bugs hinunter, um die bruchstückhaften Bilder zu betrachten, die sich uns unten darboten - ein Händler mit seinem Lebensmittelstand, Maschinisten, die sich an einem Feuer unterhielten, das Entladen von Abfall -, Leute und Dinge, die wir nie wieder erleben würden, wie wir begriffen. Und so kam uns der geringfügige und wichtige Sachverhalt zu Bewusstsein, dass unser Leben durch interessante Fremde bereichert werden kann, die an einem vorbeigehen, ohne dass man näher mit ihnen zu tun hat."

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