"Ein Lothar Matthäus spricht kein Französisch."
Lothar Matthäus
So war es immer und so wird es unverrückbar sein bis in alle Ewigkeit. Genauso geht es mit einem Mann namens Ove in diesem herzzerreißenden Roman des Schweden Fredrik Backman. Ove ist ein grummeliger Blockwart um die 60, der Falschparker aufschreibt und für jeden ein missmutiges Wort parat hat. Ove weiß genau, was ein Mann namens Ove tut und ganz bestimmt niemals tut. Ove fährt Saab und sicher kein anderes Auto. Ove weist Schwachköpfe zurecht. Ove schwärzt aber keine anderen Menschen an. Ove lässt sich andererseits auch von niemandem etwas gefallen - am wenigsten von Bürokraten in weißen Hemden, die alle Welt bevormunden möchten.
Oft hat Ove Lust, einfach nur noch zuzuschlagen. "Schlagen, immer weiter schlagen, bis auch der letzte Schwachkopf am Boden lag." Aber woher kommt dieser Groll? Der Roman erzählt Oves Leben, ein Leben voller Niederlagen, Rückschläge, himmelschreiender Ungerechtigkeiten. Eigentlich zu viel für einen Mann namens Ove. Wäre da nicht Sonja, die wunderbare, intelligente, fantasie- und liebevolle Frau, die das Leben mit ihm teilt und sich selbst durch schlimmste Schicksalsschläge - einen schweren Unfall, der sie ihr ungeborenes Kind kostet und gelähmt zurücklässt - nicht von ihrem Optimismus abbringen lässt. Sie liebt ihren Ove, ihren "unflexibelsten Menschen auf der ganzen Welt". Doch dann stirbt Sonja und Ove kann nicht mehr. Sie schicken ihn vorzeitig in Rente. Ein Mann namens Ove beschließt, sich das Leben zu nehmen.
Im wahren Leben würde ein älterer Mann wie Ove in einer Reihenhaussiedlung völlig vereinsamen und sich womöglich wirklich das Leben nehmen. Aber in Backmans Märchen taucht plötzlich die Rettung in Gestalt einer schwedisch-iranischen Nachbarsfamilie auf. Jeder neue Selbstmordversuch misslingt, stattdessen gewinnt Ove jedes Mal neue Freunde. Immer mehr Underdogs aus der Siedlung scharen sich um ihn. Ove wird zum Lebensretter, zum Katzenhalter, schließlich zum Opa. Ein bisschen flexibler wird er schon, auf seine alten Tage - aber er bleibt auch seinen Prinzipien treu. Natürlich. Gut so. Und Sonja kommt auch nochmal vor. Aber na ja, alles will ich nun auch nicht verraten.
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Mittwoch, 30. Mai 2018
Samstag, 12. Mai 2018
Martin Suter: Allmen und die Dahlien
Der dritte Teil von Martin Suters Krimireihe um den Lebemann und Kunstermittler Johann Friedrich von Allmen besticht durch seinen nonchalanten, immer exakt treffenden Ton, die sympathische Charakterisierung des kindlichen Gentleman-Helden und seines Sidekicks Carlos sowie den Cliffhanger am Ende, der direkt zu Fall vier überleitet.
Diesmal geht es in ein Luxushotel, das schon bessere Tage gesehen hat. Zu seinem vergilbten Inventar gehören auch einige Dauergäste, allen voran die so steinalte wie boshafte Millionenerbin Dalia Gutbauer, die mehrere der Hotelzimmer mit einer Entourage von Abhängigen bestückt hat, welche sie alle von Herzen hassen.
Nun wird Dalia ein kostbares Dahlien-Gemälde gestohlen, dessen immaterieller Wert noch um vieles höher liegt ein sein materieller. Weil das Gemälde selbst einmal Diebesgut war, ist es kein Fall für die Polizei, sondern für Allmen International Inquiries. Johann Friedrich von Allmen mietet sich standesgemäß in dem Hotel ein, seine Mitstreiterin María Moreno verdingt sich als Zimmermädchen.
Wie immer schwelgt Allmen am Rand des finanziellen Ruins in Eleganz und ausgesuchtem Luxus - und wie immer wird er für die ihm eigene, lässige Wurstigkeit umgehend bestraft. Alle Zutaten stimmen in diesem Krimi: Motive Liebe, Eifersucht, Geld, unerfüllte Träume, Rache. Alleine die Handlung hätte die eine oder andere überraschende Wendung mehr vertragen.
PS
Der direkt anschließende Nachfolgeband, „Allmen und die verschwundene María“ ist leider nicht der Rede wert und ein echter Ausreißer nach unten innerhalb der Reihe. Wieder geht es um das Dahlienbild, diesmal soll es Lösegeld für Allmens entführte Mitstreiterin María sein. Suter lässt den Schnösel Allmen diesmal auf einer Deponie im Müll wühlen (witzig) und an einem halbseidenen Restaurator verzweifeln. Die Entführung wird mithilfe der Polizei beendet. Diese gewollten Stilbrüche sind okay, aber vor allem langweilig und vorhersehbar. Dünne Handlung.
Diesmal geht es in ein Luxushotel, das schon bessere Tage gesehen hat. Zu seinem vergilbten Inventar gehören auch einige Dauergäste, allen voran die so steinalte wie boshafte Millionenerbin Dalia Gutbauer, die mehrere der Hotelzimmer mit einer Entourage von Abhängigen bestückt hat, welche sie alle von Herzen hassen.
Nun wird Dalia ein kostbares Dahlien-Gemälde gestohlen, dessen immaterieller Wert noch um vieles höher liegt ein sein materieller. Weil das Gemälde selbst einmal Diebesgut war, ist es kein Fall für die Polizei, sondern für Allmen International Inquiries. Johann Friedrich von Allmen mietet sich standesgemäß in dem Hotel ein, seine Mitstreiterin María Moreno verdingt sich als Zimmermädchen.
Wie immer schwelgt Allmen am Rand des finanziellen Ruins in Eleganz und ausgesuchtem Luxus - und wie immer wird er für die ihm eigene, lässige Wurstigkeit umgehend bestraft. Alle Zutaten stimmen in diesem Krimi: Motive Liebe, Eifersucht, Geld, unerfüllte Träume, Rache. Alleine die Handlung hätte die eine oder andere überraschende Wendung mehr vertragen.
PS
Der direkt anschließende Nachfolgeband, „Allmen und die verschwundene María“ ist leider nicht der Rede wert und ein echter Ausreißer nach unten innerhalb der Reihe. Wieder geht es um das Dahlienbild, diesmal soll es Lösegeld für Allmens entführte Mitstreiterin María sein. Suter lässt den Schnösel Allmen diesmal auf einer Deponie im Müll wühlen (witzig) und an einem halbseidenen Restaurator verzweifeln. Die Entführung wird mithilfe der Polizei beendet. Diese gewollten Stilbrüche sind okay, aber vor allem langweilig und vorhersehbar. Dünne Handlung.
Donnerstag, 10. Mai 2018
J. J. Abrams/Doug Dorst: S. - Ship of Theseus
Das ist nun mal kein Pageturner ("Umblätterer"?), sondern ein wirkliches Leser-Langzeitprojekt, das Filmregisseur J. J. Abrams (Star Wars, Star Trek) und Autor Doug Dorst gemeinsam geschaffen haben. S. - Ship of Theseus ist ein vielschichtiges literarisches Experiment und gleichzeitig ein echter bibliophiler Schatz.
Das Buch - jeder, der Bücher liebt, weiß es - ist ein magisches Medium. Es ist viel mehr als der Text, der vom Autor geschrieben wurde. Alleine am Text arbeiten Übersetzer, Lektor, Korrektor, Verleger und viele andere mit. Im Buch selbst hinterlassen Drucker, Gestalter, Setzer, Binder, Verlag und Buchhändler ihre Spuren - und natürlich der oder die Vorbesitzer, die im Idealfall sogar Notizen an die Seitenränder gemacht haben. Das macht das Medium Buch über den reinen Text hinaus zu einem interaktiven Gesamtkunstwerk. Bleibt es noch dasselbe, wenn immer mehr Menschen damit interagieren? Dieses Phänomen beschreibt in der Philosophie das Theseus-Paradoxon, auch Schiff des Theseus genannt: Bleibt die Identität eines Dinges gewahrt, wenn immer mehr Einzelteile ausgetauscht werden?
Zunächst ist das Lesen dieses Buches mit großem Schmerz (nur für mich??) verbunden. Der aufwendig gestaltete Schuber muss nämlich aufgeschnitten und damit zerstört werden - da führt kein Weg vorbei. Was dann zwischen den altertümlich bedruckten scheinbar abgegriffenen und in verschiedenen Farben vollgekritzelten Seiten zum Vorschein kommt, sind Ansichtskarten, Briefchen, Visitenkarten, alte Matrizen-Durchschläge, eine Serviette, ein Plan von unterirdischen Gängen und eine Decodierscheibe.
Der Leser findet im einmal aufgeschnittenen Schuber mehrere Geschichten. Zunächst den kafkaesken Roman "Ship of Theseus" des ominösen Autors V. M. Straka um einen Mann, der sein Gedächtnis verloren hat und auf einem Schiff mit zombiehafter Besatzung über die Meere reist. Er weiß nicht, warum er das tut, aber seine Aufgabe ist es, auf der ganzen Welt Agenten eines Waffenkonzerns zu töten. Immerhin kommt er dabei seiner großen Liebe, der rätselhaften Sola, näher.
Ebene zwei: Eine gewisse F. X. Caldeira hat das Werk aus dem Tschechischen ins Englische übersetzt und gibt in zahlreichen Fußnoten (die sich als Geheimcode erweisen) und einem Vorwort Informationen zu V. M. Straka preis: Sie führt die Namen zahlreicher historische Aktivisten an, die Straka gewesen sein könnten. Das letzte Kapitel, das ihr nur lückenhaft übergeben worden sei, habe sie selbst ergänzen müssen, so Caldeira. Wie sich herausstellt: Straka, der für sie unerreichbar blieb, war Caldeiras große Liebe.
Noch eine Ebene: Die scheinbaren Kritzeleien am Rand des Romans und die Zettelchen stammen aus der Jetzt-Zeit, vom Doktoranden Eric und der Studentin Jen. Sie nutzen das einmal liegengelassene Buch und dessen Seitenränder als Postfach für ihre Botschaften, lernen sich kennen, stricken Theorien über Strakas Identität, Caldeira und die geheime Organisation S. und finden nebenbei die Liebe zueinander.
So, und natürlich haben jeder Leser und jede Leserin ihren eigenen Teil beizutragen, nachdem der Schuber aufgeschnitten ist. Schon das Aufschneiden oder Aufreißen kann man auf verschiedene Arten vollziehen - bleibt es dabei noch dasselbe Buch?
S. Ship of Theseus sprengt nicht nur das lineare Erzählen, sondern auch das lineare Lesen. Wie vorgehen? Erst den "Roman" (der allerdings nicht wie ein Roman, sondern wie ein Filmdrehbuch, im Präsens, geschrieben ist) lesen, dann die Fußnoten, dann die Anmerkungen von Eric und Jen an den Rändern? Um aber der Chronologie dieser Anmerkungen zu folgen, müsste man sich an den verschiedenen Handschriften und den Farben der "Stifte" orientieren? Also Vor- und Zurückspringen? Bei mir zumindest lief es auf eine Art zeitgleiches, seitenweises Lesen mit gelegentlichem Rätselknacken und paralleler Internet-Recherche hinaus. Aber das bleibt jedem selbst überlassen.
Spaß macht es in jedem Fall. Und das ist die Hauptsache.
Das Buch - jeder, der Bücher liebt, weiß es - ist ein magisches Medium. Es ist viel mehr als der Text, der vom Autor geschrieben wurde. Alleine am Text arbeiten Übersetzer, Lektor, Korrektor, Verleger und viele andere mit. Im Buch selbst hinterlassen Drucker, Gestalter, Setzer, Binder, Verlag und Buchhändler ihre Spuren - und natürlich der oder die Vorbesitzer, die im Idealfall sogar Notizen an die Seitenränder gemacht haben. Das macht das Medium Buch über den reinen Text hinaus zu einem interaktiven Gesamtkunstwerk. Bleibt es noch dasselbe, wenn immer mehr Menschen damit interagieren? Dieses Phänomen beschreibt in der Philosophie das Theseus-Paradoxon, auch Schiff des Theseus genannt: Bleibt die Identität eines Dinges gewahrt, wenn immer mehr Einzelteile ausgetauscht werden?
Zunächst ist das Lesen dieses Buches mit großem Schmerz (nur für mich??) verbunden. Der aufwendig gestaltete Schuber muss nämlich aufgeschnitten und damit zerstört werden - da führt kein Weg vorbei. Was dann zwischen den altertümlich bedruckten scheinbar abgegriffenen und in verschiedenen Farben vollgekritzelten Seiten zum Vorschein kommt, sind Ansichtskarten, Briefchen, Visitenkarten, alte Matrizen-Durchschläge, eine Serviette, ein Plan von unterirdischen Gängen und eine Decodierscheibe.
Der Leser findet im einmal aufgeschnittenen Schuber mehrere Geschichten. Zunächst den kafkaesken Roman "Ship of Theseus" des ominösen Autors V. M. Straka um einen Mann, der sein Gedächtnis verloren hat und auf einem Schiff mit zombiehafter Besatzung über die Meere reist. Er weiß nicht, warum er das tut, aber seine Aufgabe ist es, auf der ganzen Welt Agenten eines Waffenkonzerns zu töten. Immerhin kommt er dabei seiner großen Liebe, der rätselhaften Sola, näher.
Ebene zwei: Eine gewisse F. X. Caldeira hat das Werk aus dem Tschechischen ins Englische übersetzt und gibt in zahlreichen Fußnoten (die sich als Geheimcode erweisen) und einem Vorwort Informationen zu V. M. Straka preis: Sie führt die Namen zahlreicher historische Aktivisten an, die Straka gewesen sein könnten. Das letzte Kapitel, das ihr nur lückenhaft übergeben worden sei, habe sie selbst ergänzen müssen, so Caldeira. Wie sich herausstellt: Straka, der für sie unerreichbar blieb, war Caldeiras große Liebe.
Noch eine Ebene: Die scheinbaren Kritzeleien am Rand des Romans und die Zettelchen stammen aus der Jetzt-Zeit, vom Doktoranden Eric und der Studentin Jen. Sie nutzen das einmal liegengelassene Buch und dessen Seitenränder als Postfach für ihre Botschaften, lernen sich kennen, stricken Theorien über Strakas Identität, Caldeira und die geheime Organisation S. und finden nebenbei die Liebe zueinander.
So, und natürlich haben jeder Leser und jede Leserin ihren eigenen Teil beizutragen, nachdem der Schuber aufgeschnitten ist. Schon das Aufschneiden oder Aufreißen kann man auf verschiedene Arten vollziehen - bleibt es dabei noch dasselbe Buch?
S. Ship of Theseus sprengt nicht nur das lineare Erzählen, sondern auch das lineare Lesen. Wie vorgehen? Erst den "Roman" (der allerdings nicht wie ein Roman, sondern wie ein Filmdrehbuch, im Präsens, geschrieben ist) lesen, dann die Fußnoten, dann die Anmerkungen von Eric und Jen an den Rändern? Um aber der Chronologie dieser Anmerkungen zu folgen, müsste man sich an den verschiedenen Handschriften und den Farben der "Stifte" orientieren? Also Vor- und Zurückspringen? Bei mir zumindest lief es auf eine Art zeitgleiches, seitenweises Lesen mit gelegentlichem Rätselknacken und paralleler Internet-Recherche hinaus. Aber das bleibt jedem selbst überlassen.
Spaß macht es in jedem Fall. Und das ist die Hauptsache.