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Samstag, 28. November 2015

Steffen Kopetzky: Risiko

Sommer 1914. Deutschland führt Krieg gegen den Rest der Welt. Da ersinnt der Berliner Archäologe Max von Oppenheim einen Plan. Der Islam soll es richten. Geleitet vom Offizier Oskar Niedermeyer reist ein Trupp von Verwegenen nach Afghanistan, um für den Heiligen Krieg gegen die Kolonialmacht England zu werben. Die Expedition, die Kopetzkys 720-Seiten-Epos erzählt, hat es wirklich gegeben: Verändert ist nur den Ausgang.

Zehn Jahre arbeitete Kopetzky  an dem vielschichtigen Roman, in dem es von historischen Persönlichkeiten wie Karl Dönitz, Winston Churchill oder Mahatma Gandhi wimmelt. Nur die Hauptfigur, der Münchner Marinefunker Sebastian Stichnote, ist frei erfunden. Stichnote erlebt auf den ersten 200 Seiten des Buches ein Seeabenteuer auf dem Mittelmeer, steuert die unglückliche Liebesgeschichte bei, schließt sich der Expedition an, verfällt dem Drogenrausch und trägt schließlich entscheidend zum Ausgang bei.

Manchmal fällt es schwer, dem detailreichen Plot zu folgen. Die oft altbackene Sprache tut ihr Übriges. Da trauert Stichnote um seinen verstorbenen Kameraden Eibo: „Der Freund war ihm entrissen.“ Das erinnert an Karl May und seinen Abenteuerromane für Jungs. Kein Wunder, dass bei Kopetzky viel gespielt wird: Die Hauptdarsteller setzen sich immer wieder an den Tisch zum „Großen Spiel“. Es ähnelt dem Brettspielklassiker „Risiko“: Der Spielplan ist die Welt, die es mit Steinen zu erobern gilt.

Nicht immer ist klar: Wo hört das Brettspiel auf, wo beginnt der blutige Ernst? Wer sich darauf einlässt, darf „Risiko“ als spannenden Abenteuerroman und ganz großes Kopfkino genießen.

Mittwoch, 25. November 2015

Heinz Helle: Eigentlich müssten wir tanzen

Was um Gottes Willen ist hier passiert? Fünf alte Schulfreunde, die ein Wochenende auf der Berghütte verbracht haben, steigen ins Tal und finden eine Welt vor, in der nichts mehr ist wie früher. Abgebrannte Häuser, zertrümmerte Autos, verkohlte Fabriken, aufgedunsene Leichen.

Aber die Frage nach dem Warum stellt sich den fünf Männern, die müde, frierend und hungrig durch das Tiroler Voralpenland streifen, nicht mehr. Sie wollen überleben – wozu eigentlich? „Wir sind ein über mehrere Körper verteilter Wille geworden, und neben dem Teil dieses Willens, den jeder von uns in sich trägt, ist kein Raum mehr für irgendetwas anderes. Wir wollen leben“, sagt der Erzähler. Immer weiter quälen sie sich, nur um immer mehr Zerstörung und Hoffnungslosigkeit zu erfahren. Nachts erinnern sie sich an eine Zeit zurück, in der ihnen noch Sattheit und Überdruss das Leben quälend erschienen ließ. Am Tag werden sie zu Vergewaltigern, Mördern und Kannibalen.

Der 37-jährige Heinz Helle hat mit „Eigentlich müssten wir tanzen“ eine Endzeitvision geschaffen, die in Zeiten, da Krieg und Flucht immer präsenter werden, bedrückend aktuell scheint. Nüchtern und unterkühlt ist die Sprache, manchmal sarkastisch. Eben so, wie junge Männer miteinander sprechen. Helle wirft in seiner düsteren Apokalypse eindringend die Fragen nach den Grenzen des menschlichen Willens, der Sprache und der Freundschaft auf.

Erschienen in: Schwäbische Zeitung